Polizeistandards für Versammlungen

Welche Standards soll die Polizei beim Abwickeln von Demonstrationen und Großveranstaltungen beachten? Der Menschenrechtsbeirat in der Volksanwaltschaft hat nun Richtlinien ausgearbeitet.

Anstrengend aber relativ schonend. Einsatzeinheiten schieben Gegendemonstrant*innen weg, um eine Demo-Route frei zu machen. (2014)
Anstrengend aber relativ schonend. Einsatzeinheiten schieben Gegendemonstrant*innen weg, um eine Demo-Route frei zu machen. (2014) Bild: BY 2.0 phs

Immer wieder kommt es bei Großdemonstrationen zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstrierenden. Bei der Versammlungsfreiheit handelt es sich um ein besonders heikles Grundrecht. Deshalb ist das Verhalten der Polizei bei solchen Anlässen regelmäßig Gegenstand von Diskussionen. Nun hat der Menschenrechtsbeirat (MRB) in der Volksanwaltschaft „Orientierungslinien“ für die Polizei verabschiedet. Das Dokument ist von  der Website der Volksanwaltschaft abrufbar.

Präventiver Menschenrechtsansatz

Die Volksanwaltschaft ist seit 2012 der Nationale Präventionsmechanismus (NPM) zur Verhütung von Folter in Österreich und darin einem präventiven Menschenrechtsschutz verpflichtet. Das bedeutet, dass Verstöße gegen Menschenrechte bereits im Vorfeld durch das Auffinden und Beseitigen von Risikofaktoren verhindert werden. Der MRB wurde als Beratungsgremium eingerichtet. Ich bin Mitglied des Beirats und habe an der Arbeitsgruppe mitgewirkt.

In den Richtlinien werden nach dem Motto „Deeskalation“ solche Standards für polizeiliches Handeln festgehalten, die geeignet sind, intensive Grundrechtseingriffe durch präventives Agieren zu vermeiden. Zum Ausdruck kommt dies etwa im „No-Suprise“-Ansatz. Die Polizei sei grundsätzlich angehalten, Transparenz über ihre Einschätzungen, Absichten und ihr Verhalten sowie deren Gründe herzustellen. Weder Demonstrierende, noch Umstehende, noch die eingesetzten Beamte*innen sollen ohne Not überrascht und in Stress versetzt werden.

Dazu habe die Polizei die notwendigen planerischen, ausbildungs- und ausrüstungsmäßigen Vorkehrungen zu treffen. Unter den zahlreichen Beispielen werden geeignete Lautsprecher angeführt, mit denen die Auflösung einer Kundgebung den Teilnehmenden „verständlich und wahrnehmbar“ zur Kenntnis gebracht werde.

Zugang für Beobachter*innen

Viel Wert legt der MRB außerdem auf das Kommunikationsverhalten gegenüber Dritten. Externe – etwa betroffene Gewerbetreibende – seien bei großen Demonstrationen bereits im Vorfeld aktiv zu informieren, NGOs sollen eingeladen werden, solche Kundgebungen zu beobachten. Grundsätzlich seien Beobachter*innen in ihrer Tätigkeit zu unterstützen, auch wenn sie nicht von einschlägigen Organisationen entsannt worden seien.

In der Praxis wird das Beobachten und Dokumentieren von Amtshandlungen immer wieder mit dem Argument des Persönlichkeitsschutzes Beamtshandelter unterbunden. Ich selbst wurde beim Beobachten der Polizei immer wieder weggewiesen. Zuletzt rund um die Demonstrationen gegen den „Akademikerball“. Zu unrecht, wie ich meine. Daher habe ich eine Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingebracht.

Der MRB widmet sich in der Stellungnahme besonders aktuellen Fragen, es handelt sich also nicht um eine vollständige Sammlung menschenrechtlicher Standards. Die formulierten Richtlinien dürften auch kaum kontrovers aufgenommen werden, da weitgehend akzeptierte Normen aufgegriffen wurden. „Die Standards können in Österreich Geltung beanspruchen“, heißt es in dem Dokument, da der Beirat für die Aufstellung höchstgerichtliche Urteile und Empfehlungen von internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen oder der OSCE zusammen getragen habe.

Im folgenden noch eine Zusammenstellung einiger Quellen zur Vertiefung, ergänzt um einen frischen Bericht des UN-Sondergesandten für Versammlungsfreiheit.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert