Wer a Tschusch ist, bestimmen no imma miar!

Warum tun sich manche so schwer, die Diskriminierung anderer anzuerkennen? Die afrikanische Community in Wien wehrt sich seit Jahren gegen die Verwendung vorurteilsbehafteter Produktbezeichnungen, weil diese von Menschen schwarzer Hautfarbe als beleidigend empfunden werden.

Simon Inou auf Aufklärungsmission über das Meine-Logo in der Doku "Here to stay" von Markus Wailand. Bild: pooldoks

Allerdings wurde diese Diskussion offensichtlich nur von einer kleinen Minderheit wahrgenommen, selbst an politischen Menschen wie dem Blogger Gerald Bäck ist sie vorbei gegangen. Man kann sich nicht für alles interessieren.

Wer sich diskriminiert fühlen darf, bestimmen wir!

Wenn nun aber ein Vertreter der Community, der Journalist Simon Inou aus aktuellem Anlaß öffentlich auf das Problem hinweist, verwundert es schon sehr, wer aller plötzlich ExpertIn dafür ist, was schwarze Menschen nicht verletzt. Dutzende KommentatorInnen ignorieren den Standpunkt der Betroffenen völlig und beschäftigen sich nur mit der eigenen Einschätzung der umstrittenen Begriffe.

Mehr noch: Opfer sind nicht mehr die Angehörigen systematisch diskriminierter Bevölkerungsgruppen, sondern „MehrheitsösterreicherInnen“ wie Judith, weil sie angeblich von Political Corectness in ihrer Freiheit eingeschränkt wird. Die Diskriminierten hingegen geraten bei Mathias in den Verdacht, Kapital aus ihrer Lage zu schlagen und der Twitterer @zwischenruf weiß sich gegen die „Bevormundung“ keinen anderen Helfer als – jetzt erst Recht – den Verzehr der betreffenden Speise anzukündigen. Mahlzeit.

Warum tun sich manche wirklich so schwer, die Diskriminierung anderer anzuerkennen. Ich glaube es gibt ein paar schlüssige Vermutungen. Hier vier davon:

Gruppe oder Individuum ?

Menschen schwarzer Hautfarbe in Österreich sind eindeutig häufiger Opfer von Diskriminierung als Menschen mit heller Hautfarbe. Menschen sind aber immer Teil eines Kollektives und Individuen. Eine Person kann demnach AngehörigeR einer systematisch diskriminierten Gruppe sein, als Individuum aber nie Opfer einer Diskriminierung gewesen sein. Es gibt sogar priviligierte Mitglieder systematisch diskriminierter Gruppen. Viele haben ein Problem damit, dass eine ganze Bevölkerungsgruppe als Opfer gehandelt wird. Trotzdem ist es für die Überwindung der Diskriminierung notwendig,  die Diskriminierung „schwarzer Menschen“ zu bekämpfen und nicht jede Diskriminierung als zusammenhangslosen Einzelfall zu sehen.

Moralischer Antirassimus

Rassismus ist ein moralischer Kampfbegriff. Der Verwurf des Rassismus ist meist mit moralischer Schuldzuweisung verbunden. Dies steht oft Analyse und Wahrnehmung von rassistischen Strukturen im Weg. „Wenn die Intention fehlt, kann es sich auch nicht um Rassismus handeln“, lautet das gängige Argument. So hat etwa die geringere Schulbildung der österreichischen Roma etwas mit Rassimus zu tun, auch wenn deswegen keineR der Verantwortlichen im Unterrichtsministerium ein Rassistist sein muß. Der politische Antirassismus begreift Rassismus hingegen als (empirische) Normalität, die durch die Bekämpfung diskriminierender Strukturen bearbeitetet werden muß, anstatt durch Schuldzuweisungen.

Rassismus hat mit Macht zu tun

Vor allem sehr Liberale neigen dazu, in ihrer Analyse von Rassismus gesellschaftliche Machtverhältnisse zu vernachlässigen. Für sie liegt die Verantwortung für das persönliche Fortkommen beim Individuum. Chancenungleichheiten, wie Reichtum der Eltern, Bildung oder Hautfarbe werden aus ideologischen Gründen unterbewertet (Wenn der amerikanische Traum – jeder ist seines Glückes Schmied – in der Praxis nicht stimmt, dann müsste ja der Staat eingreifen, um Chancengleichheit herzustellen). „Darf ich dann auch nicht mehr weisser Spritzer sagen?“, ist Ausdruck dieser Haltung. Er ist ignorant gegenüber der systematischen Schlechterstellung von Menschen schwarzer Hautfarbe.

Ich teile nicht!

ProfiteurInnen von Rassimus geraten unter Druck zu verzichten, wenn sie Diskriminierung eingestehen müssen.  Ich begreife Rassismus vor allem als Sündebockstrategie. Als Methode, um gesellschaftliche Ungleichheit mithilfe von ethnischen Konstruktionen aufrechtzuerhalten. Es geht darum den priviligierten Zugang einer Mehrheit zu Macht, Möglichkeiten und Ressourcen zu rechtfertigen: Asylsuchende sind kriminell, dehalb darf man im Asyl-Verfahren Rechtsstandards aushölen. Die meisten von uns sind ProfiteurInnen von gesellschaftlicher Ungleichheit. Wir entstammen meist wohlhabenden Familien, sind gut ausgebildet und weiß. Das verschafft uns im Leben Vorteile. Manche von uns wehren sich auch dagegen, dass sich das ändert. Nicht einmal die Definitionsmacht darüber, was schwarzhäutige Menschen empfinden, wollen sie an die Betroffenen abgeben. Denn das würde ihre eigenen Möglichkeiten einschränken. Ernsthafter Antirassimus bedeutet für ProfiteurIn in letzter Konsequenz auch auf Previlegien zu verzichten.

Und abschließend: Ob der Slogan des Eiskonzerns rassistisch sei, ist eine Nebelfrage. Sie ist nicht an Aufklärung interessiert. Geht es um die Intention des/r SenderIn, oder  wies bei den AdressatInnen oder den EmpfängerInnen der Botschaft ankommt?  Geht es um eine moralische Bewertung oder um eine Beschreibung des Sachverhaltes. Geht es um gesellschaftliche Strukturen oder die beteiligten Personen? Hier wäre etwas Genauigkeit angesagt.

25 Gedanken zu „Wer a Tschusch ist, bestimmen no imma miar!“

  1. „Ob der Slogan des Eiskonzerns rassistisch sei, ist eine Nebelfrage.“ – sehe ich auch so. für mich stellt sich vor allem die frage, wie ein breiter gesellschaftlicher diskurs über das thema (sprachlicher)rassismus und seine ursachen entwickelt werden kann. er sollte auch und gerade jene einbeziehen, denen es schwer fällt den mohr im hemd loszulassen.
    einige gedanken zum thema:
    http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at/2009/07/30/we-want-more/

  2. was sagt uns die gleichsetzung von mohr im hemd mit wienerschnitzel und weißbrot usw. in manchen kommentaren? … wurde da möglicherweise von gar nicht so wenigen etwas nicht verstanden? welche möglichkeiten gibt es, diese missverständnisse unaufgeregt und ohne oberlehrerhaftigkeit auf breiter basis zu klären?
    ein paar gedanken rund um den mohr im hemd im litblog „duftender doppelpunkt“.
    http://literaturblog-duftender-doppelpunkt.at/2009/07/30/we-want-more/

  3. @Zwischenrufer

    Da machst du dirs ein wenig leicht. Ich habe bezweifelt, ob Zwang das geeignete Mittel ist, um Frauen vor Unterdrückung zu schützen. Mittel und Ziel sind nicht dasselbe: Nur weil ich Zwangskurse für eine suboptimale Unterrichtsmethode halte, muss ich nicht gegen Deutschkurse sein.

    Wenn es einem tatsächlich um die Unterdrückung von Frauen geht, dann muss man mE (in Österreich) bei den Lebensumständen ansetzen, die Frauen in eine Position bringen, in der sie gezwungen werden können, sich zu verhüllen. Die Verhüllung zu verbieten ändert nämlich rein gar nichts an der Abhängikeit, sie ist dann bloß nicht mehr so sichtbar.

    Die Autonomie von Frauen kann man über Bildugn, eigener Erwerbsarbeit (bzw Grundeinkommen), ggfls eigenen Aufenthaltstiteln stärken.

    Genauso wie ich es ablehne, dass jemand gezwungen wird, eine Burka zu tragen, so stehe ich auch dem Zwang Kleidungstücke nicht zu tragen reserviert gegenüber. Wenn schon Zwang, dann als letztes Mittel, verhältnismässig eingesetzt und nur wenn er den Zweck auch erfüllt.

  4. Ganz im ernst, lieber Philipp, dein „Freiheitsbegriff“ interessiert mich spätestens seit dem Tag nicht mehr, an dem du die frauenverachtende, islamistische Burka als „Kleidungsstück“ bezeichnet und verteidigt hast. DAS ist ein Skandal, nicht der Name einer Eissorte!

  5. @mathias

    Verantwortung überNEHMEN gibts nur freilwillig.

    Mit Verantwortung meine ich hier, dass man nicht so tut, als wäre man allein auf der Welt. Dass man sich vergegenwärtigt, welche Konseuquenzen das eigene Handeln für die Umwelt hat und man möglichst rücksichtsvoll handelt: Gewalt so sparsam und gezielt wie möglich einsetzen.

    Für mich ist einfach schwer nachvollziehbar, dass sich ein Erwachsener durch den Hinweis, dass der Begriff „Mohr“ von Menschen schwarzer Hautfarbe als verletzend empfunden wird derart bevormundet fühlt, dass er noch eins drauflegen muss.

  6. Ad Kapital schlagen: Naja, wenn ich schon bewusst abgrenzende Formulierungen verwende, dann darf ich ja wohl erwarten, dass diese auch so verstanden werden.
    Aber sei’s drum, jetzt hab ich hoffentlich deutlich genug abgegrenzt.

    Für mich klingt dein Freiheitsbegriff ein klein bisschen nach Redneck. Freiheit bedeutet mE nicht in Ruhe gelassen zu werden, sondern Verantwortung zu übernehmen.

    Welche Art von Verantwortung meinst du? Und inwiefern hat aufgedrängt (also nicht freiwillig übernommene) Verantwortung etwas mit Freiheit zu tun?

  7. @Mathias
    Wenn der Vorwurf „Kapital zu schlagen“ mit dem vorliegenden Fall nicht in Zusammenhang steht, kannst du ihn weglassen. Wenn du ihn in den Raum stellst, werde ich Bezug darauf nehmen.

    @zwischenruf
    Für mich klingt dein Freiheitsbegriff ein klein bisschen nach Redneck. Freiheit bedeutet mE nicht in Ruhe gelassen zu werden, sondern Verantwortung zu übernehmen.

    @fatmike182
    „Die afrikanische Community“ sollte ich nicht schreiben. Erstens sagen die Leute selbst lieber „schwarze Community“, weil nicht alle Beteiligten AfrikanerInnen sind. Zweitens ist die Gruppe nicht homogen und weist auch keinen besonders hohen Organisationsgrad mehr auf.

    Es hat 1999 nach dem Tod Markus Omofumas schon eine viel stärkere Organisierung in Wien gegeben. Die Kriminalisierungskampagne „Operation Spring [http://www.schnittpunkt-film.com/]“ von Karl Schlögls Innenministeriums hat hier aber viel zerschlagen. Führende Köpfe wurden als Drogendealer denunziert, das hat zu einer breiten Einschüchterung und Demobilisierung geführt. (Die Krone hat übrigens wegen solcher Vorwürfe sehr viel Entschädigung zahlen müssen).

    Dachverband gibt es keinen, da nicht einmal gscheit Ressourcen für die Einzelinitiativen da sind. Trotzdem haben mehrere Initiativen erfolgreiche Projekte am Laufen. Im Zusammenhang mit der Eis-Diskussion sollte man Remaping Mozart [http://remappingmozart.mur.at/joomla/content/view/17/31/lang,de/] erwähnen, Simon Inou betreut mit M-Media [http://www.m-media.or.at/] die MigrantInnen Seite am Mittwoch in der Presse und das Webportal Afrikanet.info [http://www.afrikanet.info/]. Beatrice Achaleke und FreundInnen sind mit der „Schwarze Frauen Community“ [http://www.schwarzefrauen.net/] international sehr erfolgreich.

    @roger
    Ich meine das auch ernst, dass man sich nicht um alles kümmern kann. Hab ich vielleicht zu scharf formuliert und dem Gerald Bäck unrecht getan. Ich bedauere halt, dass die ganzen Anstrengungen der letzten Jahre nicht einmal sehr interessierte Menschen wie GB erreicht haben. Und das ist dann eben Rassismus, wie ich ihn verstehe: Schwarze Menschen finden wegen der gesellschaftlichen Machtverhältnisse mit ihren Anliegen nicht einmal bei einer qualifizierten Minderheit Gehör. Geschweige denn, bei einer Mehrheit.

  8. „Der Verwurf des Rassismus ist meist mit moralischer Schuldzuweisung verbunden. Dies steht oft Analyse und Wahrnehmung von rassistischen Strukturen im Weg.“

    Ja! Danke, gut auf den Punkt gebracht.

  9. Wenn ich das richtig verstehe erregt weniger der Begriff „Mohr“ Anstoß, als die Verbindung einer Bezeichnung für eine (diskriminierte) Menschengruppe mit einer Süßspeise?

  10. es stimmt, man muss sich nicht um alles kuemmern (oft kann man nicht)

    wenn gerald baeck in seinem blog nicht gut aufgelistet haette, woran er nichts findet, dann waer mir der strukturelle charakter der beleidigung gar nicht aufgefallen. insofern bin ich ihm zu dank verpflichtet, als ich mich nicht mehr auf mein unwohlsein berufen muss.

    mein erster eindruck von der reklame war lediglich, dass sie saubloed ist. (dass ihre gestalter auch nur eingeschraenkten zugang zu bildung hatten scheint mir zwar unwahrscheinlich, jedenfalls haben sie ihn ggf nicht gut genuetzt)

  11. Heißt das jetzt wer „Mohr im Hemd“ sagt ist böse? Ja? Diese Sorgen möcht ich auch haben.

    Andererseits zeigts ja wie gut es uns hier geht, wenn wir uns über solche Schwachsinnigkeiten unterhalten.

    Lächeln. Weitergehen.
    Gruß, rtfm

  12. da freue ich mich doch, endlich mal wieder eine positive werbung wahrnehmen zu können.
    danke, mathias, für die erhellenden – ist ja auch nötig bei so viel dunkel hier – ausführungen.
    „eskimo“ mag ich eh nicht. Inuit kenne ich nicht persönlich, sind mir trotzdem sympathischer.
    und so kochen wir alle weiter unsere unbewussten rassistischen süppchen…
    danke, klaus, für die thematisierung

  13. Da die Diskussion zu dem Lebensmittelnamen erst jetzt so medial aufkommt (was sie ja eigentlich eh nur in einem bestimmten Kreis tut — in Printmedien habe ich zumindest heute nichts diesbzgl gelesen) und auch fm4 von dem aktiven Wirken der black community geschrieben wird:
    Gab es schon vor der Eskimo-Werbung ein black-community (oder doch african community? Oder das gleiche?) ein Auftreten gegen den Speisenamen?

    Scheinbar hat Klaus Werner-Lobo mit seinem Anruf genau das erwirkt (so wie auch von Gerald Bäck vertreten, nämlich ohne großem Aufschrei, sondern gezielt) was der FM4-artikel nicht erreicht hat (lt. Tweet wurde bei der Unilever-Website was geändert).

  14. Ohne den peinlichen, politisch korrekten Amoklauf der berufsmässigen Gutmenschen wäre ich auf das neue Eis gar nicht aufmerksam geworden! So aber musste ich es einfach kaufen. Hat gut geschmeckt! So richtig nach Freiheit und eigener Meinung!

  15. Na he. Ich hab doch extra geschrieben: „Ich möchte niemandem unterstellen, dass das in dem Fall eine Motivation war.“ Die ganze Sache erinnert mich bloß an das Verhalten mancher Gruppen, die sich als Opfer darstellen, um dann staatliche Entschädigungen zu erhalten. Und da hört sich der Spaß für mich auf. Über beleidigende Werbesujets zu diskutieren hat damit aber nichts zu tun und ist selbstverständlich legitim.

    Finde es im Umkehrschluss aber auch interessant, dass eine Einzelperson offenbar für Tausende Farbige in Österreich sprechen darf. Oder anders gesagt: Müsste ich mich als Schwarzer jetzt automatisch beleidigt fühlen, weil ein Herr Inou das der Öffentlichkeit mitteilt?

    Soviel dazu. Dann:

    „So hat etwa die geringere Schulbildung der österreichischen Roma etwas mit Rassimus zu tun, auch wenn deswegen keiner der Verantwortlichen im Unterrichtsministerium ein Rassistist sein muß.“
    Wie das? Wenn niemand für den angeblichen Rassismus verantwortlich ist, wie soll er dann überhaupt bekämpft werden?

    Ganz allgemein finde ich es etwas übertrieben von dir, jenen, die das Wörtchen „Mohr“ als Teil der gängigen Bezeichnung „Mohr im Hemd“ akzeptieren (und nicht etwa als Rufname für Schwarze), gleich mal Rassismus mit all seinen Farcetten (Asyl-Werber = alles Kriminelle, und ähnliche FPBZÖ-Sprüche) zu unterstellen. Ganz ehrlich: Nur, weil man nicht jede Befindlichkeit von ein paar Einzelpersonen akzeptiert, ist man nicht gleich Rassist/Sexist/Faschist.

    (Übrigens darf sich natürlich verletzt fühlen, wer will und wodurch er/sie will. Nur: Ob das Vertreter der restlichen Bevölkerung auch akzeptieren, bleibt doch bitte denen überlassen. Da muss man nicht gleich mit irgendwelchen -Ismen kommen.)

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