Um wessen Sicherheit(gefühl) kümmert sich die Polizei? Im Bereich der Sicherheitspolizei werden die Aufträge im Wesentlichen vom so genannten „Aufforderer“ bestimmt. Wer am Notruf 133 Hilfe verlangt, kommt auf die Liste und wird je nach Dringlichkeit abgearbeitet und von einer Streifenwagen-Besatzung angefahren1. Daneben setzt die Polizeiführung Schwerpunkte nach eigenem Gutdünken. Ob sie dabei bevorzugt Fahrrad- oder Autofahrer:innen kontrolliert, oder lieber Bahnhöfe bestreift, beschließt sie zwar nicht frei von gesellschaftlichen Erwartungen. Aber die Polizeispitze hat doch erheblichen Ermessensspielraum, wo die Uniformierten hinschauen.
Wo die Polizei hinschaut
Im zweiten großen Bereich, der Kriminalpolizei, läuft es analog ab: zunächst bestimmen Anzeigen, welche Delikte überhaupt bei der Polizei aufschlagen. Welcher Aufwand zur Aufklärung jeweils betrieben wird, liegt jedoch im behördlichen Ermessen. Das erkennt man etwa auch an diversen Task-Forces, die sich um bestimmte Phänomene kümmern, sei es die Trockenlegung von Fluchtrouten oder Sozialleistungsbetrug.
Wem die Polizei hilft, hängt also einerseits davon ab, wer sie ruft. Man darf annehmen, dass hier im Vorteil ist, wer die Polizei als seine Polizei erleben darf. Andererseits haben die Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden ein gewichtiges Wörtchen mitzureden, um wen sie sich besonders kümmern. Die Ressourcen der Polizei sind endlich, daher ist gegen Prioritäten auch nichts einzuwenden. Wenn diese wohl überlegt und demokratisch legitimiert sind.
Bedarfsgerecht und transparent
„Dienstleistungen des BMI sollen noch transparenter, bedarfsgerechter und zielgruppenorientierter erbracht werden“, heißt es in den Wirkungszielen des BMI. Übersetzt: die Sicherheitsbehörden sollen transparent und zielgerichtet planen, für wessen Bedarfe die vorhandenen Ressourcen eingesetzt werden. Mehr zur Bekämpfung von Sozialleistungsbetrug – dem erschwindeln von Sozialleistungen – oder mehr zur Bekämpfung von Sozialbetrug – der organisierten Unterschlagung durch Scheinfirmen?
Bloß: derartige Planungen sind – wenn sie denn existieren – nicht öffentlich. Sie wären aber die Grundlage für die demokratische Debatte über die gerechte Verteilung des knappen Gutes Sicherheit. Die Polizei lässt sich aus taktischen Gründen nicht gerne in die Karten blicken. Aber wenn die Polizei die Polizei aller sein will, kann sie diese Entscheidungen nicht im Stillen treffen.
Dieser Beitrag erschien zuerst am 22. November 2024 in Mo – Magazin für Menschenrechte von SOS Mitmensch.
- Knopp, P. (2021). Zeitproduktionen in der polizeilichen Notrufbearbeitung: Eine explorative Untersuchung. In Tagungsband der Nachwuchstagung empirische Polizeiforschung 2021 (pp. 375-390) https://opus4.kobv.de/opus4-hwr/frontdoor/index/index/docId/3370 ↩︎