Vier Anmerkungen zum Umgang mit IS

„Mutmaßliche Salafisten gefasst“. Im Umgang mit der IS finden wir keinen rechten Tritt. 4 Anmerkungen zu einem angemessenen Umgang mit Islamischer Staat und seinen europäischen Unterstützerinnen.

Die internationale Raumstation ISS. Johannes Kopf schlägt vor, die IS als paradoxe Intervention mit der Raumstation zu bebildern. (Bild NASA)
Die internationale Raumstation ISS. Johannes Kopf schlägt vor, die IS als paradoxe Intervention mit der Raumstation zu bebildern. Bild: NASA

Dschihadistin, Salafistin. Welche Folgen können ungenaue Begriffe haben?

Die IS will eine Polarisierung zwischen „muslimischer“ und „westlicher“ Welt ((Die „innerislamischen“ Konfliktlinien spare ich hier der Einfachheit halber aus.)). Liberale Demokratien sollen zu Reaktionen provoziert werden, die dieser Polarisierung Vorschub leisten. Das können auch scheinbar unbedeutende Ungenauigkeiten sein: Vorgestern meldete die APA, „mutmaßliche Salafisten“ seien an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich „gefasst“ worden. Eine unbedarfte Leserin ((Männer sind mitgemeint)) muss zum Schluss kommen, Salafismus sei verboten. Ist er natürlich nicht. Der Dschihad, Salafismus oder die Scharia mögen politisch unerwünschte Phänomene sein, doch sie sind im Rahmen unserer Rechtsordnung zulässig.

Welche Folgen kann diese Ungenauigkeit haben? Der Dschihad wird von vielen Muslimen nicht kriegerisch sondern als die Überwindung des „inneren Schweinehundes“ verstanden, der Salafismus ist eine ultrakonservative Strömung des Islam ((Die Scharia kann – so lange sie das Gewaltmonopol des Staates nicht in Frage stellt – ein ergänzendes Schlichtungsverfahren darstellen, ähnlich der Mediation.)). Eine solche Berichterstattung erweckt daher den Eindruck, nicht die Bekämpfung von Terror-Milizen stünde im Vordergrund, sondern das Zurückdrängen des Islam und seinen Erscheinungsformen. Wer nicht in die Propaganda der IS einzahlen will, wird also danach trachten, präzisere Begriffe zu verwenden.

Wie können wir angemessen auf die IS und ihre europäischen Unterstützerinnen reagieren?

Das hängt von unseren Zielen ab. Dass die abzuwehrenden Gefahren im allgemeinen Furor oft nur unscharf benannt oder lediglich angedeutet werden, ruft allerlei Trittbrettfahrerinnen auf den Plan. Wer den Islam für das eigentliche Problem hält, polizeiliche Befugnisse ausweiten oder reisserische Schlagzeilen verkaufen will, wird den Ball der IS aufgreifen und die Polarisierung verstärken.

Wer allerdings ernsthaft Jugendliche davon abhalten möchte, ins Ausland kämpfen zu gehen – unabhängig wo und gegen wen – wird warten bis sich die Situation beruhigt hat und nach schicklicher Debatte einen Gesetzesentwurf gegen Foreign Fighters in Begutachtung schicken. Ausserdem würde eine Innenministerin mit ernsthaften Absichten ihre Regierungskolleginnen ermuntern, Maßnahmen zu ergreifen, welche die soziale Mobilität (insbesondere anfälliger Personengruppen) erhöht und Diskriminierungen beseitigt.

Vor allem müsste sich eine ernsthafte Politik der Erkenntnis stellen, dass die Reichweite nationalstaatlicher und europäischer Instrumente nicht hinreichen, um die Anziehungskraft der Konfliktherde einzudämmen – geschweige denn die Krisen zu lösen. In unserer globalisierten Welt erstrecken sich persönliche und ideologische Bindungen über die Kontinente. Viele Europäerinnen haben heute Verwandte und Bekannte in den Krisenregionen. Es ist nachvollziehbar, dass die Unfähigkeit der internationalen Gemeinschaft, die schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen in der Region zu unterbinden, auf der ganzen Welt zu Solidarisierungseffekten führt.

Daher führt auch an der Entwicklung einer internationalen Rechtsordnung mit Verfahren und Institutionen kein Weg vorbei. Mit dem Weltgerichtshof für Menschenrechte, einer Demokratisierung des UN-Sicherheitsrates oder dem Konzept Responsibility to Protect liegen zahlreiche konkrete Vorschläge auf dem Tisch, für die sich Österreich international einsetzen könnte. Wer im Zeitalter der Globalisierung verhindern will, dass junge Menschen kämpfen gehen, muss mit der selben Vehemenz gegen Menschenrechtsverletzung im Irak vorgehen, wie in Österreich.

Welche Bilder von den Gräueltaten der IS sollen gezeigt werden?

In dieser Frage stecken zwei Aspekte. Zum einen; vor welchen Bildern soll unsere Gesellschaft bzw einzelne Bevölkerungsgruppen geschützt werden. Und zweitens; inwiefern macht Berichterstattung Zeitungen und Fernsehen zum Bestandteil der IS-Propaganda-Maschinerie. Hier kann man zu unterschiedlichen antworten kommen.

Die Bilder von Massenerschiessungen, geköpften Journalistinnen und zur Vergewaltigung versklavten, jungen Frauen sind extrem verstörend. In Europa scheint derzeit ein ähnliches Trauma Platz zu greifen, wie in den USA nach 9/11. Dieser kollektive Vertrauensverlust äussert sich im Wunsch nach rigorosen bis autoritären Antworten und öffnet unbedachten Reaktionen Tür und Tor. Diesen Furor zu mildern spricht für eine Begrenzung der Bilderwelt. Andererseits sind Gesellschaften lernfähig und können zuvor anstössige Sachverhalte kollektiv verarbeiten. Man denke etwa an die Akzeptanz-Konjunkturen der Pornographie. Womöglich ist die Verbreitung der Bilder heutzutage ohnehin nicht mehr unter Kontrolle zu bringen, da in sozialen Medien klassische Gatekeeper umgangen werden.

Medienbetriebe sollten sich trotzdem zu einer nüchternen und zurückhaltenden Berichterstattung bekennen, die nur notwendige und sachlich gerechtfertigte Informationen weitergibt, auf die Reproduktion von Propaganda-Material von Terrororganisationen verzichtet und verstörende sowie bedrohliche Informationen gegenüber den Rezipientinnen auch im Hinblick auf deren Wirkung und Funktion analysiert. Johannes Kopf schlägt übrigens vor, die IS als paradoxe Intervention mit der Internationalen Raumstation ISS zu bebildern. Ich kann dem was abgewinnen.

Foreign Fighters aus Österreich in Syrien. Stößt der Rechtsstaat an seine Grenzen?

Nein. Das Rechtsstaatsprinzip besagt, dass staatliches Handeln nur auf Basis von Gesetzten erfolgen darf. Der Rechtsstaat soll Bürgerinnen vor staatlicher Willkür schützen, indem der Handlungsspielraum von Behörden auf vorher gesetzlich festgelegte Zwecke und Befugnisse beschränkt wird. Menschen davon abzuhalten, sich Terror-Milizen anzuschliessen, kann und soll nicht Aufgabe des rechtsstaatlichen Prinzips sein. Dazu sind andere (staatliche) Instrumente erforderlich. Das Strafrecht, internationale Institutionen, sozio-ökonomische Integration.

Das Scheitern des Rechtsstaates wurde als Sprachbild vorwiegend von Akteurinnen in die Debatte eingespeist, die Befugnisse des Sicherheitsapparates ohne entsprechende Kontrollmöglichkeiten ausweiten wollen und deshalb den Rechtsstaat diskreditieren. Im Innenministerium wird derzeit ein BVT-Gesetz (Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung) ausgearbeitet, das weitere geheimdienstliche Befugnisse für die Polizei bringen soll. Wenn diese mit ausreichender demokratischer Kontrolle versehen würden, dann wäre der Rechtsstaat kein Hindernis für allenfalls notwendige Erweiterungen.

Ein Gedanke zu „Vier Anmerkungen zum Umgang mit IS“

  1. Das ist eine Sekte, die sich selbst das Recht gibt, andere zu töten, gibt. Oder ein Kult: der Waffen- und Horrorliebhaber.

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