In den 90ern wurden Verschärfungen im Fremdenrecht mit „Empörung“ quitiert. Mehr Schubhaft – „SOS Mitmensch ist empört.“ Empörung appeliert an vermeintlich geteilte ethische Standards. Der Empörte bringt zum Ausdruck, dass ein Verstoß des Gegenübers gegen solche Standards massive Ablehnung bei ihm auslöst. Die stark emotionale Reaktion erachtet der Empörte als gerechtfertigt, weil er von einer Übereinkunft über die Standards ausgeht.
Die realpolitische Machtlosigkeit, die aber mit dem Ausdruck von Empörung de facto meist verbunden war, wurde vom moralisch-politischen Gegner bald als „Alarmismus“ oder „Hysterie“, der Empörte selbst als „Gutmensch“ verhöhnt. Seit Ende der 90er ist kaum mehr wer empört.
Das „empörend“ der 00er-Jahre ist „ekelhaft“. Für das UN-Flüchltingshochkommissariat UNHCR ist etwa die geplante Verschärfung der Schubhaft-Bestimmungen „ekelhaft„. Auch hier bringt der Sprecher seine intensive und emotionale Ablehnung gegen einen ethischen Verstoß zum Ausdruck, allerdings geht er nicht mehr von einem geteilten Standard aus.
Überzeugend argumentiert. Zu oft entgehen dem oberflächlichen Beobachter solche Feinheiten; die Veränderung der politischen Atmosphäre geschieht schleichend.