Eine Kamera, die wegschaut

Die Bodycams der Polizei werden dem Versprechen eines neutralen und objektiven Beweismittels nicht gerecht. Weder werden beteiligte Polizist:innen aufgezeichnet noch die ganze Amtshandlung.

"Vollausstattung" der Polizei mit Body Worn Cameras. Laut BMI wurden 3.300 Geräte an rund 900 Dienststellen ausgegeben. 32.000 Exekutivbedienstete geschult. Bild: BMI/Karl Schober
"Vollausstattung" der Polizei mit Body Worn Cameras. Laut BMI wurden 3.300 Geräte an rund 900 Dienststellen ausgegeben. 32.000 Exekutivbedienstete geschult. Bild: BMI/Karl Schober

Die österreichische Polizei rollt flächendeckend Körperkameras aus. Nach jahrelangen Pilotversuchen werden Bodycams nun bundesweit zur Standardausrüstung gehören. Zumindest zwei pro Dienststelle. Sie sollen sowohl Polizist:innen als auch Bürger:innen schützen und einen objektiven und neutralen Beweis für schief gelaufene Polizeieinsätze liefern. Unabhängig davon, wer das problematische Verhalten an den Tag gelegt hat.

Wesentliche Teile fehlen

Doch bei näherer Betrachtung wird die Polizei dem Versprechen der Objektivität nicht gerecht: Zum einen trägt nicht die Person die Kamera, die den Überblick behält und den Einsatz aus einiger Distanz absichert, sondern diejenige, die das Gespräch führt und mitten im Geschehen steht. Ausgerechnet das Verhalten der/des Beamt:in, auf das es bei der Überprüfung einer Beschwerde ankommt, ist gar nicht im Bild. Zweitens werden die Geräte ohne Möglichkeit zur Vor-Aufzeichnung eingesetzt. Aufgezeichnet wird erst dann, wenn es eskaliert – und der Beamte die Kamera bewusst einschaltet. Was vorher geschah, bleibt im Dunkeln. Beim Prüfen der Verhältnismäßigkeit kommt es aber auf den Anfang des Einsatzes an. Gab es einen guten Grund für die Zwangsgewalt? Wurde das gelindeste Mittel gewählt, das noch zum Ziel führt? 1Siehe auch die Empfehlung des EBM-Beirates unter https://www.bmi.gv.at/418/start.aspx#empfehlungen.

Untergrabenes Versprechen der Objektivität

So gehandhabt sind die Kameras kein neutrales Beweismittel, sondern ein einseitig nutzbares Instrument. Ein Mittel, bei dem die Polizei die Kontrolle über das Narrativ behält. Wer den Ausschnitt bestimmt und wann die Kamera läuft, bestimmt auch, was dokumentiert wird – und was nicht. Das untergräbt das Versprechen der Bodycams: Professionelle Polizeiarbeit, die sich auf die Finger schauen lässt.

Körperkameras ohne Vor-Aufzeichnung sind eine halbe Lösung. Sie erwecken den Anschein von Transparenz, ohne echte Rechenschaft zu ermöglichen. Sie schützen zwar die Polizei vor falschen Anschuldigungen, aber sie schützen die Bevölkerung nicht vor unverhältnismäßiger Gewalt. Wer es mit objektiver Kontrolle und Transparenz ernst meint, muss dafür sorgen, dass die gesamte Situation dokumentiert wird – von Anfang an und beide Seiten.

Dieser Beitrag wurde zuerst am 7. Juni 2025 als Polizeikolumne in Mo – Magazin für Menschenrechte von SOS Mitmensch veröffentlicht.

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