Ausländerfreundlich Wahlen gewinnen

ÖVP – Spindoctors werden nicht müde den „Vranitzky-Ausgrenzungs-Kurs“ für gescheitert zu erklären. Ironischer Weise haben nun der Vorarlberger ÖVP-Spitzenkandidat Herbert Sausgruber und seine Partei von dieser Strategie profitiert. Sausgruber hatte wegen einer antisemitischen Aussage von FPÖ-Chef Dieter Egger angekündigt, keine Regierung mit den Freiheitlichen mehr einzugehen. Und erhielt die absolute Mehrheit.

ÖVP profitiert durch Abgrenzung von Antisemitismus

Unterm Strich 4000 WählerInnen hat die vorarlberger Volkspartei nach Analysen der SORA an die FPÖ verloren. Gleichzeitig wurden aber 3000 WählerInnen von den Grünen und 5000 Stimmen von der SPÖ dazu gewonnen. Der von vielen Konservativen befürchtete Abfluß nach rechts ist demanch ausgeglichen. Mobilisiert hat die ÖVP mit der Person Sausgrubers und seiner klaren Haltung gegen das „Ausländerthema“ hier konkret Antisemitismus.

FPÖ trotz neuem Kurs keine neuen WählerInnen

Gleichzeitig hat die FPÖ einen Wahlsieg eingefahren. Ihr Stimmanteil wurde auf 25 Prozent verdoppelt. Doch der Sieg relativiert sich bei nährem Hinsehen: Nahezu die Hälfte, nämlich 20 Tausend Stimmen rekrutierten die Freiheitlichen aus dem Lager der NichtwählerInnen.

SORA geht davon aus, dass es sich dabei im Wesentlichen um Rückewinne von 2004 (nach Knittelfeld) verloren gegangenen Stimmen handelt. Die FPÖ lag nämlich vor Knittelfeld schon bei 27 Prozent (1999). Über dieses Potential ist sie trotz ihres Strategiewechsel vom konstruktiven Regierungspartner zur aggressiven Anti-Ausländer-Partei nicht hinaus gekommen.

Wahl gewonnen, Pyrrhussieg!

Für die Freiheitlichen wird sich noch herausstellen, dass Egger zu hoch gepokert hat: Der Verlust des Regierungsmandats wird sie nämlich vor die unangenehme Situation stellen, künftig nicht mehr wie seit 45 Jahren auf die Ressourcen der Landesregierung zurück greifen zu können. Dabei geht es nicht nur um Personal und Geld sondern auch um Öffentlichkeit: Ohne Landesrat gibts keine Baustelleneröffnungen und damit auch keinen Auftritt in Vorarlberg heute.

Die Vorarlberger Medienlandschaft unterscheidetet sich vom Wiener Parkett zudem dadurch, dass News und Konsorten fehlen. Rechts-oppositionelle Öffentlichkeit ist in Vorarlberg nicht leicht herzustellen, da fremdenfeindliche Rülpser nicht automatisch auf einem Magazincover enden.

Die FPÖ wird diesen Macht- und Öffentlichkeitsverlust erst verdauen müssen. Der liberale Wirtschaftsflügel war nie vom Strategiewechsel begeistert, der Verlust des Landesrats schmerzt die PragmatikerInnen sehr. Wegen des „Wahlsiegs“ Eggers ist diese Fraktion derzeit nicht gerade in der Offensive, aber fünf Jahre sind lang.

SPÖ-Lutz: Festlegung in der Rassismusfrage

Die Zeche bezahlt hat vor allem die SPÖ, die zwischen der Polarisierung von ÖPV und FPÖ aufgerieben wurd. Sie hat netto an die NichtwählerInnen und vor allem an die ÖVP verloren. Landesgeschäftsführer Franz Lutz hat darauf hingewiesen, dass die SPÖ mit ihrem „Sowohl-Als-Auch“-Kurs in der Rassismusfrage nicht Punkten kann, da ihre WählerInnen bei diesem Thema gespalten sind.

Funktioniert „Ausgrenzung“?

Die „Ausgrenzung“ von rassistischer Politik und ihrer AkteurInnen bewirkt zweierlei. Zum einen profitieren diese in Form von Wählerstimmen zumindest kurzfristig von ihrer Martyrerrolle. Ob dies von Dauer ist oder nicht, hängt davon ab, ob die Ablehnungsfront geschlossen und nachhaltig ist.

In Frankreich, wo sich die Konservativen durchwegs am „Cordon Sanitaire“ gegen Front National beteiligen, hat sich diese nach einigen Jahren des Erfolges tot gelaufen und ist heute weitghend in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

In Österreich hingegen, wo sich sowohl ÖVP, als auch SPÖ und Grüne die Zusammenarbeit (in Abstufungen) mit der FPÖ offen halten, konnte diese ihre Stimmen auch in gestaltende Kraft ummünzen. Die rassistische Politik der FPÖ wurden zum Teil von rot-schwarzen Koalitionen zum Teil von der FPÖ selbst umgesetzt.

Nachteilig kann sich ein Ausgrenzungskurs auswirken, wenn 1) sich die anderen Player im System nicht beteiligen (FPÖ-Einbindung auf Bundesebene) oder 2) dadurch eine Polarisierung zwischen zwei BewerberInnen entsteht, die MitkonkurentInnen zu StatistInnen degradiert (Vorarlberg 09).

Lernen SPÖ und ÖVP aus der Vorarlberg-Wahl?

Die ÖVP kann sehen, dass sie mit Abgrenzung von fremdenfeindlichen Kampagnen ebenso Stimmen gewinnen kann, wie durch die Fekter-Strategie der „FPÖ-Politik aus der Mitte“. Es steht ihr also strategisch prinzipiell offen, keinen harten Ausländerkurs zu fahren.

Auch die SPÖ kann sehen, was sie schon bei der Wien-Wahl 1999 hätte lernen können: Eine klare Menschenrechtslinie in der AusländerInnenfrage könnte sich letztlich bezahlt machen, wenn sie offensiv und auf Dauer angelegt ist.

5 Gedanken zu „Ausländerfreundlich Wahlen gewinnen“

  1. *Die rassistische Politik der FPÖ wurden zum Teil von rot-schwarzen Koalitionen zum Teil von der FPÖ selbst umgesetzt.*

    OK, aber wie ist es hier mit dem Frankreich-Vergleich? Das ist dort doch ebenfalls passiert.

    Wlado

  2. @helge

    Das teile ich. Wenn man nicht mit jemanden Zusammenarbeiten will/kann sollte man dies in Demut und Bescheidenheit kommunizieren, nicht triumphierend. Prinzipiell ist Nicht-Kooperation in einer Demokratie eher suboptimal.

    @martin

    Hab mir die Subsummierung von AusländerInnenfeindlichkeit und Antisemitismus unter Rassismus erlaubt, weil die F in Vorarlberg auch gegen Muslime und Türken gehetzt hat.

    Die Abgrenzung spricht parlamentarische Formen der Zusammenarbeit an, wo die (Ab)grenz(ung) zugegebener Maßen schwierig zu ziehen ist. Es gab allerdings gemeinsam verhandelte Projekte der Oppositionsparteien, wie die Abschaffung der Studiengebühren. Eine umfassende Nicht-Zusammenarbeit würde auch darauf verzichten.

  3. in weiten teilen deines artikels wünsche ich mir dass du mit deinen einschätzungen recht behältst. allein mir fehlt der glaube – sehe ich doch auch die darstellung der övp-vorarlberg nicht ganz so positiv.

    die abgrenzung vom anti-semitismus der fpö war sinnvoll und mehr als nur notwendig. und es ist zwar oft die selbe grundhaltung die dem (latenten) rassismus entspringt – dennoch sind ausländerinnenfeindlichkeit und antisemitismus unterschiedliche paar schuhe. und wer gerade als landeshauptmann sich nicht gegen die weitere verschärfung des fremdenrechts aussprichtm, dem kann kein ausländerfreundlicher wahlkampf unterstellt werden.

    die hoffnung bleibt jedoch, dass sich selbst jenseits wahltaktischer überlegungen, ein menschlicher Zugang gegenüber migrantinnen einstellt. allerdings ist daafür noch viel zu tun, von selbst passiert da nichts.

    abschließend noch eine frage betreffend fehlender abgrenzung zur fpö, wo du auch die grünen erwähnst – würd‘ mich interessieren worauf du da anspielst – gerade weil ich immer wieder versuche einem ‚cordon sanitaire‘ rund um die fpö das wort ( http://tinyurl.com/kwn4zj ) zu reden.

    lg martin

  4. Meines Erachtens funktioniert diese Ausgrenzung nur, wenn sie nicht lautstark und stolz proklamiert stattfindet, sondern klar aber ohne der F zu viel Raum einzuräumen. Empörte Alles-was-die-F-fordert-ist-schlecht-Ausgrenzung inklusive News- und Profil-Cover macht diese zu Märtyrern und attraktiv für Protestwähler. DAS war der Fehler von Vranitzky & Co. Und der Chefredaktionen sowieso.

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