Lehren aus der EU-Wahl 09.

Die EU-Wahlen 09 sind geschlagen und haben doch die eine odere andere Überraschung gebracht. Besonders sticht ins Auge, dass die FPÖ so deutlich hinter den Erwartungen geblieben ist. Noch sind keine genauen Motivdaten im Umlauf, trotzdem stelle ich schon mal ein paar Thesen zur Diskussion.

1) Die FPÖ ist zu aggressiv aufgetreten, viele EU-skeptische WählerInnen wurden von der Kampagne abgeschreckt. Mit freiem Auge kann gesagt werden, dass der Konflikt mit der katholischen Kirche geschadet hat. Den Kardianal herauszufordern scheint Strache nicht gut bekommen zu haben.

2) Die Kronenzeitung hat einen Wahlsieg Straches mit verindert. Auch wenn HPM nicht eindeutig links ist, so hat er sich neben den Grünen – und im Gegensatz zur SPÖ – eindeutig für die Asylrichtlinie der EU ausgesprochen.  Ich halte auch Teamfähigkeit für eine politische Kategorie. Aber mir ist HPM allemal lieber als die FPÖ. Empirisch abgesichert ist, dass Hans Peter Martin und die FPÖ im EU-kritischen Segment gefischt haben. Offensichtlich konnte die FPÖ ihr Potential nicht ausschöpfen und viele SkeptikerInnen sind zu HPM gegangen.

3) Die ÖVP konnte die Spitzenposition erreichen, weil sie mit Strasser und Karas zwei Milleus mobilisierte. Auf der einen Seite eher intellektuellen Pro-EuropäerInnen, die auf Karas zurückhaltenden Stil  stehen und auf der anderen Seite die skeptischen Konservativen, die sich von Strassers energischem Unterkinn angesprochen fühlen.  Der Vorzugsstimmen-Wahlkampf hat bestimmt den einen oder anderen Prozentpunkt gebracht. Die Widersprüche zwischen Karas und Strasser wurden nicht als demobilisierender Faktor schlagend, weil beide den Führungsanspruch stellten und AnhängerInnen mit ihrer Vorzugsstimme vermeintlich direkten Einfluß auf die Parteilinie ausüben konnten. Die Grünen waren demgegenüber nicht stark genug, eine solche Flügelmobilisierung zuzulassen und wurden deshalb auch schon früh aus dem Spiel katapultiert.

4) Unterm (gesamtösterreichischen) Strich scheint auch das Verhältnis zwischen scharfer Abgrenzung gegenüber rechtsextremen Ausfällen und dem Ignorieren jeder blöden Provokationen halbwergs gestimmt zu haben. Die öffentliche Aufmerksamkeit auf den rechtsextremen Rand bei FPÖ-Demos zu lenken war richtig. Das hat mitgeholfen, dass die Partei vom Mainstream noch vor der heißen Phase richtig eingeordnet wurde. Von vielen als zu aggressiv empfundene Angriffe (News-Cover) kamen spät und wurden nicht mehr wirksam oder durch die Inaktivitität anderer Player aufgewogen.

Festhalten muß man nämlich, dass diese Balance durch sehr ungleiche Beiträge einzelner gesellschaftlicher Gruppen zustande gekommen ist. Die ÖVP hat sich um die Verantwortung gedrückt und  zur notwendigen Auseinandersetzung kaum etwas beigetragen. Demgegenüber wirkte Svobodas Klarheit (im Kontrast zu vielen anderen SPÖ-Politiken und SPÖ-PolitikerInnen) etwas gekünstelt. Wenn alle Parteien rechtzeitig zu einem klaren Verhalten gefunden hätten, dann hätte das die Provokationen der  FPÖ noch viel stärker ins Lehre laufen lassen.  Interessant wäre auch, wieviele Stimmen die klare Abgrenzung die SPÖ gekostet hat.

4 Gedanken zu „Lehren aus der EU-Wahl 09.“

  1. Besonders stimme ich diesem Satz zu:

    Die Grünen waren demgegenüber nicht stark genug, eine solche Flügelmobilisierung zuzulassen und wurden deshalb auch schon früh aus dem Spiel katapultiert.

    Übrigens finde ich es großartig, dass du jetzt bloggst!

  2. Lehren aus der Wahl

    In den Wochen vor der Wahl haben sich Menschen voll Verzweiflung und Wut an mich gewendet. Einige in beginnender Resignation. Die meisten aber mit dem Wunsch, etwas gegen das himmelschreiende Unrecht zu tun.

    Unsere Kräfte sind schwach. Und es geschehen ungeheuerliche Dinge jeden Tag. Naziübergriffe gegen KZ-Opfer. Hitlergruß auf Wahlversammlungen. Drohungen auf Wahlplakaten: Abendland! Christenhand. Abrechnung… Antisemitische Hetze.

    So brodelt der braune Sumpf, und darunter starren uns die Fekterleinaugen an: Noch mehr Härte gegen Asylwerber! Konsequenter abschieben. Als geschähe das nicht ohnedies schon bisher völlig gnadenlos.

    Die Rechten insgesamt sind stärker geworden. Die FPÖ zwar nicht so sehr, wie sie erhoffte. Und dafür danken wir allen, die in diesem Wahlkampf Zivilcourage gezeigt haben und gegen die rechte Hetze aufgetreten sind.

    Umso schlimmer der erste Platz für die Partei der Polizeiministerin, angeführt noch dazu von einem früheren (durch unser Zutun gestürzten) Abschiebeminister, beide verantwortlich für ungeheuerliche Verletzungen des Menschenrechts.

    Die SPÖ hat massiv verloren. Unser Mitleid hält sich in Grenzen. Sie hat jahraus, jahrein alle rassistischen Gesetze mitbeschlossen; ihren angeblichen „Antirassismus“ im EU-Wahlkampf hat ihnen niemand mehr geglaubt. Für wirkliche KämpferInnen gegen den Rassismus war diese Partei nicht wählbar; die offenen Rassisten haben gleich die FPÖ gewählt. Der laue Rest blieb bei der SPÖ…

    Die zentrale Lehre aus dieser Wahl: Es genügt nicht, gegen Strache zu sein. Unser Feind ist der staatliche Rassismus, der sich in Sondergesetzen, in Abschiebungen, in der Verweigerung des Asylrechts und der elementarsten Menschenrechte manifestiert.

    Wer Strache ernsthaft bekämpfen will, darf von der Fekter nicht schweigen. Wenige Tage vor der Wahl hat sie den fleißigen, tüchtigen Arbeiter Peter Paul aus Salzburg abschieben lassen. Daß sogar die „rote“ Landeshauptfrau Burgstaller, die doch jedes Sondergesetz gegen Fremde mit vertreten hatte, für ihn intervenierte – einerlei.

    Ich habe die Grünen gewählt, wenn auch ohne Begeisterung. Die Grünen sind leider keine Bewegung mehr, die den Rechten ernsthaft entgegentreten könnte. Aber es gibt dort viele anständige Leute, mit denen wir auch in Zukunft solidarisch sind

    Ich unterstütze daher die Initiative „Grüne Vorwahlen“, die kürzlich eine interessante Podiumsdiskussion unter dem Motto „Take over your local Green Party“ mit Robert Menasse und Klaus Werner-Lobo abgehalten hat.

    Dabei geht es mir weniger um (vermeintliche oder wirkliche) Basisdemokratie (denn wer ist eigentlich wessen Basis?), sondern um erhöhte politische Effizienz. Wer sich zur Landesversammlung im November 2009 als VorwählerIn anmelden möchte, muß das bis 15. Juni tun. Näheres unter http://www.gruenevorwahlen.at.

    Ebenso unterstützen wir die Initiative „Lichterkette gegen rechte Hetze“, die wirklich von der Basis ausgeht, nämlich von zwei unabhängigen, bisher nirgends organisierten Studentinnen, die in wenigen Tagen über 7000 Mitglieder auf Facebook gewonnen haben.

    Diese Initiative ruft für Donnerstag nächste Woche, den 18. Juni, ab 19 Uhr, zu einer Kundgebung vor dem Parlament mit anschließender Lichterkette um das Parlament auf. Liebe Leserinnen und Leser, kommt alle hin!

    Michael Genner,
    Obmann von Asyl in Not

    Spendenkonto:
    Raiffeisen (BLZ 32000),
    Kontonummer 5.943.139, Asyl in Not

  3. Lieber Philipp,

    Zuerst einmal freue ich mich sehr über deinen neuen Blog, den ich sogleich in meinen RSS-Reader und meine Blogroll aufgenommen habe.

    Deinen vier Feststellungen kann ich mich anschließen, wobei der vierte Punkt natürlich Raum für Spekulationen und Interpretationsnuancen lässt. Sicherlich ist die Strategie angesichts des Ergebnisses aufgegangen, man sollte dennoch bedenken dass (1) viele einen anderen Ausgang befürchtet haben und (2) die Protestwähler mit HPM diesmal schlicht von der Krone eine andere erste Wahl des Protests präsentiert bekommen haben.

    Letzteres wird bei anderen Wahlen leider nicht der Fall sein, weshalb die Gratwanderung bzw. die Balance zwischen einer klaren, entschiedenen Reaktion auf den Rechtsextremismus der FPÖ und des Behandelns anderer politischer Themen auch in Zukunft schwierig werden wird. Denn objektiv betrachtet hat die sehr wichtige Rechtsextremismusdebatte jegliche europäische Themen wie Wirtschaftskrise/Arbeitsplätze, Energiewende, Entwicklung der EU, Finanztransaktionssteuer, Sozialunion, BürgerInnenrechte, usw. an den Rand gedrängt.

    Dies kam wiederum der FPÖ entgegen, da sie für all diese Punkte keine zukunftsfähigen Lösungen hat, aber gut das Opferlamm einer Kampagne von Parteien und Medien spielen und damit mobilisieren kann. Diesmal ist es wie gesagt einigermaßen gut gegangen, die grundsätzliche Frage der richtigen Balance sollte uns im Hinblick auf zukünftige Wahlen aber noch intensiver beschäftigen. Dies gilt sowohl für die Parteien als auch für die Medien, denen nicht umsonst – ähnlich wie bei Haider – oftmals ein Anteil am Aufstieg Straches zugeschrieben wird.

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