In Echtzeit kriminalisiert

Wenn eine Innenministerin über Illegale spricht, sollte Echtqualität vor Echtzeit gehen. Sonst wird der Standard.at zum Sprachrohr der semantischen Flüchtlingsabwehr.

Gestern erreichte mich eine Nachricht in Echtzeit. Über die Kanäle des Online-Standard. Die Meldung, von der ich spreche, hätte etwas Zeitverzögerung durchaus gut vertragen. Manchesmal sind nämlich Nachrichten in Echtqualität jenen in Echtzeit vorzuziehen.

Besonders dann, wenn die Nachricht auf Informationen der Innenministerin aus dem Bereich Asyl basiert. Besonders dann machen sich nämlich für ein Qualitätsmedium Redakteur/innen mit echten Zeitressourcen bezahlt – weil sie jede noch so gut recherchierte APA-Meldung erneut redigieren.

Es geht um die Meldung Mikl-Leitner will „Schutzschirm“ gegen illegale Migranten, die um 15.52 von der APA an die Redaktionen gesendet und um 16.06 Uhr vom Online-Standard abrufbar war. Die APA hatte sich zuvor immerhin sechs Stunden Zeit genommen, um die initiale OTS-Aussendung von Mikl-Leitner zu verarbeiten; die Meldung hätte wohl auch ein paar Minuten später nichts an „Brisanz“ verloren.

„Heuer seien in Österreich bereits 16.815 illegale Einwanderer und damit an die 30 Prozent mehr Personen als im Vorjahreszeitraum aufgegriffen worden, sagte Mikl-Leitner am Rande des EU-Innenministerrates am Donnerstag. Die meisten Flüchtlinge stammten aus Afghanistan, Pakistan und aus Tschetschenien.“ (DerStandard.at, 27.10.2011)

Nun haben die Abwehrkämpfer/innen der Festung Europa die Tilgung der semantischen Differenz zwischen Illegalen und Asylsuchenden vollzogen. Bis zu neun von 10 Menschen aus den drei Ländern werden in Asylverfahren als schutzwürdig anerkannt und manchmal sind sie leidvollen Umständen entkommen, die wir gar nicht bereit sind, uns zu vergegenwärtigen.

Diesen Leuten des Recht abzusprechen, hier her zu kommen, ist eine miese Diffamierung ihrer Lebensgeschichte; ein Versuch die Menschenrechte auszuhebeln; vollzogen von einer orientierungslosen Mitte; dankbar die Flanken der extremen Rechten aufgreifend.

 

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