Gefälschte Meinung

Parteien simulieren Bevölkerungsmeinung durch gekaufte Internet-Profile und denken gleichzeitig über die Ausweitung von direktdemokratischen Instrumenten nach. Transparenz und Umwidmung von Parteien- in Demokratieförderung wären ein guter Schutz gegen solchen Missbrauch. Notwenig ist aber auch ein generelle Debatte über den Einfluss der Vermögensverteilung auf die demokratische Willensbildung.

Die Öffentliche Meinung wird längst nicht mehr nur an Leserbriefen abgelesen. Bild: Roland Unger, GFDL

Der Kurier bringt heute auf der Titelseite ein Thema, das bislang kaum breit diskutiert wurde, obwohl es von höchster demokratischer Relevanz ist. Firmen und Parteien kaufen sich bei Agenturen Internet-Profile, um die öffentliche Meinung und die demokratische Willensbildung zu beeinflussen.

Hoher Wirkungsgrad

Für 10.000 Euro monatlich können Parteien und Firmen die Dienstleistung „Forenbetreuung“ erwerben. Ein/e Nebenerwerbs-Betreuer/in verdient bei der beauftragten Agentur rund 1.000 Euro mit der Bespielung von 20 gefälschten Profilen, berichtet die Futurezone des Kurier. Ich denke das ist gut investiertes Geld. Nehmen wir ein Beispiel: Für den Preis einer einmaligen Schaltung Juniorpage (das ist ca eine 3/4 Seite) im Print-Standard kann man sich also geschätzte 3 bis 4 Vollzeit-Poster/innen kaufen, die einen Monat lang in den Foren des Onlinestandard präsent sind. Wieviele Postings schafft man so an einem durchschnittlichen Arbeitstag?

Kann man davon ausgehen, dass Parteien diese Dienstleistung in größerem Maßstab in Anspruch nehmen? Nehmen wir mal die FPÖ. Wenn man sich vor Augen führt, in welchem Umfang diese Partei allein für Zwischenkampagnen Inserate schaltet (zb. „Die faulen Griechen“), dann kann man sich leicht ausmalen, dass ein Bruchteil der Beträge genügt, um die Foren der Onlinezeitungen mit Postings zu fluten. Einen Hinweis auf die Größenordnung der Summen, die hier im Spiel sind, könnte eine Affaire aus unserem Nachbarland bieten: Ein Manager der deutschen Bahn wurde 2007 gefeuert, da er für verdeckte Werbung 1,3 Millionen Euro ausgegeben und damit gefakte Leserbriefe und Forenbeiträge finanziert hatte.

Solche Summen werden bestimmt nicht ohne Grund investiert: In Zeiten ökonomischen Drucks sind Medienkonsument/innen – wie der Name schon sagt – weniger Adressat/in von Aufklärung, als vielmehr Kund/in eines Produkts; für Redaktionen bieten dabei Postings und Leserbriefe die wichtigsten Anhaltspunkte, welchen Content diese konsumieren wollen. Ich habe keine Forschung dazu gefunden, aber meine Erfahrung sagt mir, dass dabei viele Redaktionen den Einfluss von gekaufter Meinung unterschätzen (Bitte um Hinweise!). Ironie an der Sache: wahrscheinlich sind es die selben politischen Kräfte, die das Meinungsklima in Zeitungsforen und Facebookgruppen  zu einem Gutteil finanzieren, die dieses dann in weiterer Folge zum Indikator der allgemeinen Meinungslage überhöhen.

Mehr direkte Demokratie

Wenn Parteien gleichzeit Bevölkerungsmeinung simulieren und über die Ausweitung direktdemokratischer Instrumente nachdenken, wie gestern Barbara Prammer, dann müssen wir auch darüber diskutieren, wie wir den Missbrauch dieses Instruments verhindern können.

Sonst landen wir bei der absurden Situation, dass in Zeitungen, die durch politische Inserate finanziert werden, über von Parteien betriebene Volskbegehren berichtet wird, die dann in den Diskussionsforen der Zeitungen von parteifinanzierten Postern diskutiert werden, um dann von Abgeordneten im Parlament beschlossen zu werden, die nur formal ein freies Mandat ausüben.

Volksentscheide machen nur Sinn, wenn sie tatsächlich zu einer Ausweitung demokratischer Beteiligung durch die Bevölkerung führen. Sollten direktdemokratische Instrumente weiterhin überwiegend von Parteien genutzt werden, wäre eine Ausweitung sinnlos. Parteien müssten deshalb wohl dezidiert von der Nutzung ausgeschlossen werden. Eine unabhängige Finanzierung könnte man durch die Umwidmung von 20 Prozent der nahezu 300 Million Euro öffentlicher Parteiförderung in eine Demokratieförderung ermöglichen.

Um eine indirekte Einflussnahme zu verhindern, wäre die vollständige Offenlegung der Parteifinanzen – Einnahmen wie Ausgaben – hilfreich. Eine saubere Lösung würde auch Vorfeldorganisationen und zivilgesellschaftliche Interessensvertretungen in diese Verpflichtung miteinbeziehen.

Das hätte den positiven Nebenenffekt, dass sich Wähler/innen ein Bild darüber machen können, wer welche Mittel zur Produktion der demokratischen Meinungsbildung aufwendet. Hier wäre eine breite Debatte ohnehin längst überfällig: Das demokratische Versprechen lautet, dass alle Normunterworfenen gleichberechtigt an der Erzeugung der Normen teilhaben können. Dieses Versprechen ist längst in Frage gestellt, wenn Vermögen und Chancen so ungleich verteilt sind, dass 10 Prozent der Bevölkerung aufgrund von sekundärem Analphabetismus der politischen Berichterstattung nicht folgen können.

Der Einfluss von Vermögen auf die öffentliche Meinung

Um hier nicht den Eindruck zu erwecken ich hätte etwas gegen Parteien, hier die Klarstellung, dass ich ein Verfechter der repräsentativen und damit der Parteiendemokratie bin. Allerdings wäre es wünschenswert, wenn die politischen Institutionen nicht von der Wirtschaft und die zivilgesellschaftliche Spähren nicht von Parteien beherrscht würden. Die Behebung dieser Fehlentwicklung erfordet ein Zurückdrängen des Einflusses ökonomischer Eliten auf die Parlamente und ein Zurückdrängen des Parteieneinflusses auf Schulen, Medien und Wirtschaft.

Nehmen wir die Diskussion um die Ausweitung direktdemokratischer Instrumente zum Anlass, um der Bedrohung des demokratischen Versprechens durch zu ungleiche Vermögensverteilung zu begegnen. Eine hohe Finanzierung der Politik durch öffentliche Gelder ist sinnvoll – wenn diese nicht dazu führt, dass ohnehin vermögende Gruppen in den Genuss dieser Förderung kommen. Verhindern wir, dass die Eliten ausgebaute direktdemokratische Instrumente dazu missbrauchen, um die politikmüde Mehrheit wieder mal zu übertölpeln.

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