Stefan Petzner steht Rede und Antwort. Über seine Flügel-Schuhe. Stefan Petzner kommentiert den Tod des Udo Jürgens und zitiert dazu aus seiner unvollendeten Diplomarbeit. Stefan Petzner erklärt seine neue PR-Firma. Stefan Petzner legt Musik auf beim Jubiläum eines hippen Magazins; viele Branchen-KollegInnen tanzen ausgelassen, ein Nachrichtenmagazin berichtet.
Ja, es ist der selbe Stefan Petzner, der dem „Landjäger“- Magazin zum Rücktritt der SPÖ-Landesrätin Gabriele Schaunig anvertraut: „Ich habe gesagt, ich übernehme das, die Frau ist in einem Jahr erledigt. Von dem Tag an wurde die Frau Schaunig jeden Tag beschossen.“ Das Ziel sei es gewesen sie „politisch zu beseitigen. Das ging soweit, dass wir ihre Familie rein gezogen haben. Sehr brutal, aber es hat funktioniert und sie ist zurück getreten. Danke. Tschüss.“
Stefan hier, Petzner dort. Kein anderer ehemaliger BZÖ-Politiker wird in den Medien so herumgereicht wie Jörg Haiders letzter Adlatus – auch, als er längst schon kein öffentliches Mandat mehr innehat. Warum geben JournalistInnen einem wie Petzner so viel Platz für seine Selbstbeweihräucherung?
Immerhin ist Gabi Schaunig nicht die einzige, die von Petzner in Kärnten aus dem Weg geräumt wurde. Petzner war führend in eine der niederträchtigsten Kampagnen gegen Flüchtlinge in der 2. Republik involviert. Seine damalige Rolle spielt er heute auf die eines Pressesprechers herunter (nicht ohne gleichzeitig zu beklagen, dass sein politisches Wirken in Kärnten unterschätzt werde).
Fragen dazu will Petzner keine mehr beantworten. Zu einer inhaltlichen Distanzierung ist es bislang auch nicht kommen. Deshalb leistet seine Omnipräsenz einer Reinwaschung der damaligen Ereignisse Vorschub. Kann jemand ein Bösewicht sein, müssen sich Unbefangene fragen, der zum KommentatorInnen-Inventar so vieler Medien zählt?
Er kann. Rufen wir uns die Geschehnisse im Jahr 2008 in Erinnerung. Jörg Haider und das BZÖ sind durch einen Skandal-Reigen schwer angeschlagen. Aber Haider tritt noch einmal an. Als geschäftsführender Landesparteiobmann und Wahlkampfleiter orchestriert Stefan Petzner die Kampagne, mit der sich das BZÖ an der Macht halten will.
Eine Vertreibung
Sonntag, 6. Jänner in Villach, zu den Heiligen Drei Königen. Alik Schamarow sitzt am Küchentisch der kleinen Wohnung, die er mit seiner Frau Ekaterina und den Kindern Adam, Petimat und Liana (alle Namen geändert, Anm.) bewohnt. Die Feiertage sind bald vorbei. Auch für Schamarow. Am Mittwoch wird er endlich eine Arbeit aufnehmen können. Es ist nur Hilfsarbeit in einer Villacher Fleischerei. Doch für den 49-jährigen Tschetschenen bedeutet es einen entscheidenden Schritt zurück ins Leben.
Vor sechs Jahren hat das Asylamt einen vorläufigen Abschiebeschutz verfügt. Denn Familie Schamarow ist in Tschetschenien nicht mehr sicher. In dem kleinen Kaukasus-Land regiert Folter-Präsident Ramsan Kadyrow. Der lässt die Häuser seiner Gegner niederbrennen und ihre Familien einsperren. Endgültig entschieden hat die Asylbehörde den Fall Schamarow noch nicht. Wie ein unsichtbarer Aufpasser sitzt die Ungewissheit mit in der kleinen Küche.
Und dennoch: Alik Schamarow malt sich die Zukunft aus. Er möchte seiner Familie endlich ein normales Leben bieten. Der 17-jährige Sohn Adam ist auf der Flucht, seit er elf Jahre alt war. In der Abendschule holt der Jugendliche jetzt den Hauptschulabschluss nach. Vielleicht können die Kinder ihr richtiges Leben beginnen, noch bevor sie erwachsen sind.
Doch noch ist es nicht soweit: An der Tür klopft der Betreiber der Unterkunft. Er hat Weisung, die Flüchtlinge vor die Tür zu setzen. Sie sollen ihre Sachen packen, am nächsten Tag werde man sie mit einem Bus wegbringen. Einen Grund kann er nicht angeben. Gerüchteweise habe es wohl mit der „Silvester-Schlägerei“ zu tun. Am nächsten Morgen nehmen die Schamarows ihren Sohn zur Polizei, um zu fragen, „ob er Schuld hat.“ Die Polizei teilt mit, dass Adam „keine Schuld hat“ und nicht in die Silvesterschlägerei involviert war.
Doch die „Abschiebung“ nach Traiskirchen nimmt ihren Lauf. Am Nachmittag stehen Uniformierte an der Tür der Schamarows. Gemeinsam mit drei weiteren tschetschenischen Familien werden sie aus dem Land geschafft. Insgesamt 18 Personen. Ein paar Taschen mit Kleidung können sie mitnehmen. Möbel und andere Habseligkeiten bleiben zurück. Sie passen nicht in den Bus. Es ist eine regelrechte Vertreibung. Später wird die Menschenrechtsanwältin Nadja Lorenz die „Abschiebung“ gerichtlich zur Menschenrechtsverletzung erklären lassen. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigt die Unschulds-Angaben der Polizei.
Unmut schüren
Doch Haider und Petzner verteidigen die Aktion. Sie halten am Vorwurf fest, die Abgeschobenen seien „Kriminelle“. Und sie legen noch eins drauf. Am 18. Jänner kabelt Stefan Petzner einen Brief des Landeshauptmanns an die Agenturen. Dieser ist mit dem Regierungsemblem versehen und wird im Bezirk Villach an 45.000 Haushalte versendet. Haider fordert die Bevölkerung auf, verdächtige Tschetschenen bei einer eigenen Hotline zu melden, „damit ich deren sofortige Abschiebung veranlassen kann.“ Als gäbe es keinen Rechtsstaat.
In den folgenden Tagen werden tschetschenische Frauen auf der Straße angespuckt. Doch insgesamt hätten sich die Villacher sehr besonnen verhalten, meint der Kärntner Sozialpsychologe Klaus Ottomeyer heute: „Oft berufen sich Politiker auf einen Unmut in der Bevölkerung, den sie erst schüren müssen.“
Und tatsächlich. Es folgen weitere „Abschiebungen“. Bis es dem Innenministerium zu bunt wird. Am 18. Juli stoppt die Polizei einen Transport an der steirischen Grenze und zwingt ihn zur Umkehr.
In Kärnten kann das BZÖ-Duo weiter schalten und walten. Haider und Petzner kündigen die Einrichtung einer „Sonderanstalt für kriminelle und kranke Flüchtlinge“ auf der Saualm an. „Bei den sieben Zwergen, hinter den sieben Bergen“ wolle man künftig Flüchtlinge „konzentrieren“, damit „sie niemanden etwas tun können“. Erst 2012 wird die Einrichtung wegen zahlreicher Menschenrechtsverletzungen geschlossen.
Säuberungsdemagogie
Die „Abschiebung“ aus Kärnten kommt nicht aus heiterem Himmel. Bereits im Jahr 2006 kündet das BZÖ die ethnische Vertreibung an. Stefan Petzner prägt die Parole „Kärnten wird tschetschenenfrei“. In ganzseitigen Inseraten schaltet das BZÖ ihr Vorhaben. Dabei grenzen sich Haider und sein Gehilfe weder vom national-sozialsozialistischen Beiklang der Parole noch von potentieller Selbstjustiz durch BürgerInnen ab.
Mit dem ebenfalls wahlkämpfenden BZÖ Graz steigern sich die Zündler in eine Spirale der Säuberungsdemagogie. Die BZÖ-Graz-Kandidaten Gerald Grosz und Peter Westenthaler fegen auf ihrem Wahlplakat „Wir säubern Graz“ bildlich die Begriffe Asyl und Bettler aus der Stadt. Beim Wahlkampf-Abschluss in der Grazer Helmut-List-Halle kommt es zum Gipfeltreffen. Auf der Bühne schwingt zur Kennmelodie von „Spiel mir das Lied vom Tod“ eine Tanztruppe die Besen. Haider und Petzner sitzen erste Reihe fußfrei.
Traumatisierte Flüchtlinge benötigen Stabilität, Raum und Respekt, erklärt Klaus Ottomeyer. Einer der abgeschobenen Tschetschenen war bei ihm in therapeutischer Behandlung. Die beste Voraussetzung für eine Genesung sieht er darin, so schnell wie möglich ein selbstbestimmtes Leben führen zu können. „Retraumatisierung beugt man vor, indem Flüchtlinge bald auf eigenen Beinen stehen können, als Rechtssubjekte anerkannt werden und selbst über die alltäglichen Dinge des Lebens entscheiden dürfen.“
Deshalb drängen Flüchtlingsorganisationen auf Arbeitsmöglichkeiten, die rasche Beschulung der Kinder und – natürlich – ordentliche Verfahren. Weniger günstig ist Hetze und neuerliche Vertreibung. „Allerdings bin ich erstaunt, mit welcher Würde die Tschetschenen das über sich ergehen haben lassen. Wahrscheinlich weil ihre Großeltern das auch schon überlebt haben“, weist Ottomeyer auf die lange Geschichte von Unterdrückung, Verfolgung und Deportation der TschetschenInnen hin.
Geläuterter Politiker?
Petzner hat zuletzt Andeutungen gemacht, die ein gewisse Einsicht erhoffen ließen: „Ich würde nicht mehr alles gleich machen“, schrieb er etwa auf Twitter. Auf Nachfrage, von welchen Handlungen er konkret Abstand nehmen würde, teilt Petzner mit, er werde auf „komische Fragen“ nicht antworten, „weil dazu längst alles gesagt“ sei.
Im Interview mit dem „Landjäger“-Magazin pochte Petzner noch auf die Unterscheidung zwischen dem Wahlkampfleiter und der Person Petzner. Als Wahlkämpfer gebe es keine moralischen Grenzen, da sei „jedes Mittel recht. Auch Hetze gegen Minderheiten.“ Als Person hingegen habe er bestimmte Kampagnen und Slogans „gar nicht so gemeint.“ Als könnte man die Verantwortung für irgendein menschliches Handeln durch Abspaltung in eine berufliche Rolle delegieren. Das klingt so sehr nach „habe nur meine Pflicht getan“, dass man sich beschämt abwenden möchte.
Warum Petzner dennoch viel Platz für Selbstbeweihräucherung eingeräumt wird, können am besten JournalistInnen selbst beantworten. „The Gap“-Herausgeber Thomas Weber erklärt sich die nachsichtige Haltung vieler JournalistInne mit Petzners Fernsehauftritt nach Haiders Tod: „Beim öffentlichen Weinen hat Petzer wie geläutert gewirkt. In diesem Moment war er echt, das hat ihn vielen Menschen nah gebracht, wahrscheinlich auch Journalisten.“ Außerdem hält er Petzners frühe Präsenz auf Twitter für einen nicht unwesentlichen Faktor: „Digital Natives hatten bis vor kurzem einen klaren Startvorteil in klassischen Medien.“
Eine „wichtige Quelle“
Über einen anderen Grund wird in der Branche nicht öffentlich geredet. Eine Innenpolitik-Redakteurin gibt nur anonym Auskunft über das Thema InformantInnenpflege. In der Korruptionsaufarbeitung im Hypo-Skandal sei Petzner eine sehr wichtige Quelle für sie gewesen, berichtet die Journalistin. Daraus habe sich ein langjähriger Kontakt ergeben und „da vergisst man dann manchmal seine aktive Kärnten-Zeit“. Außerdem sei Petzner persönlich ein sehr schräger, facettenreicher und vielfach gebrochener Mensch. Aber auch „sehr hilfsbereit und ziemlich witzig“. Darüber „vergisst man vieles, weil er so gar nicht zu den rechten Recken passt.“
» Wie am Schulhof, wo sich die ganze Klasse zum Mobber stellt, nachdem dieser sein Opfer fertig gemacht hat. «
Eine andere Innenpolitik-Redakteurin, die oft Asylgeschichten schreibt, hadert mit dem Naheverhältnis einiger KollegInnen zu Petzner, die sich „zu Komplizen machen“. Es sei wie auf einem Schulhof, „wo sich die ganze Klasse zum Mobber stellt, nachdem dieser sein Opfer gerade fertig gemacht hat. Weil der die coole Socke ist und den guten Spruch drauf hat.“
Der Autor und Journalist Robert Misik weist noch auf einen andern Punkt hin. Er vermutet, viele KollegInnen nähmen Petzner implizit den Wandel ab, weil er das Spiel mit kulturellen Codes beherrsche und sich zu einer schrägen Kunstfigur stilisiere, die gut zum links-liberalen Milieu passt. So wohnte Petzner beim Brunnenmarkt, ein Multi-Kulti-Viertel in Ottakring.
Das generiere eine diffuse „Mit-dem-kann-man-schon“-Haltung: „Dieses Gefühl kann ich auch bei mir selbst feststellen.“ Dass Petzner die kulturelle Adaption an das urbane Segment der Medienbranche beherrsche, erwecke dort womöglich den Eindruck, man habe Petzner „umgedreht“: „Man fühlt sich bestätigt, weil Petzners Eingemeindung doch zeigt, wie groß unsere kulturelle Attraktion ist“, analysiert Misik.
Auf professionelle Distanz achten
Leider zeigt der hiesige Journalismus Schwächen, politisch Verantwortliche von gravierenden Menschenrechtsverletzung als Täter zu benennen. Nicht alle Medien sind einer solchen Geschichtsklitterungs-Strategie gewachsen. Dabei wären wir den geschädigten Flüchtlingen zumindest schuldig, die Hetz-Kampagnen unmissverständlich als Unrecht zu verurteilen. Nur so können die wieder aufgerissenen Wunden verheilen und kann Vertrauen in unser Gemeinwesen entstehen.
Wenn Petzner und Andere gerichtliche Erkenntnisse ignorieren und Unrecht verharmlosen, dann können sie keine gewöhnlichen Personen des öffentlichen Lebens sein. Dann müssen JournalistInnen die Dinge gerade rücken. Indem sie in besonderem Maße auf professionelle Distanz achten und die nötige journalistische Einordnung der Geschehnisse und handelnden Personen vornehmen.
Veröffentlicht in „mo Magazin für Menschenrechte“ von SOS Mitmensch.
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