Die Zeit des Sebastian Kurz (3)

Was macht Staatsekretär Sebastian Kurz mit seiner Zeit? Welche Initiativen will Kurz in der laufenden Legislaturperiode noch setzen und wie beurteilen die Integrationsexpert/innen Kenan Güngör, Alexander Pollak und Martin Schenk seine bisherige Leistung? Dritter und letzter Teil der Serie.

Im zweiten Teil dieser Serie habe ich berichtet, dass Staatsekretär Sebastian Kurz mittelfristig Schwierigkeiten hatte, Zeit für die wichtigsten Akteur/innen der Integrationsszene zu finden. Und dass er damit seinen eigenen Ansprüchen nicht ganz gerecht wurde.

Nun haben mich einige der bislang verschmähten Einrichtungen informiert, dass sie nun doch eine Einladung vom Staatssekretär erhalten haben. Freilich will Kurz nicht selbst mit den Verschmähten sprechen – immerhin gibt es Gesprächstermine auf Beamt/innenebene. Für mich sind diese Terminschwierigkeiten ein guter Anlass zu fragen: was macht der Staatsekretär eigentlich so mit seiner Zeit?

Dieser dritte Beitrag über den Integrations-Staatsekretär widmet sich der Frage nach der Leistung des Sebastian Kurz. Was sagen Integrationsexpert/innen zu seiner bisherigen Bilanz und was hat Sebastian Kurz sich selbst für Ziele für die zwei noch verbleibenden Jahre der Legislaturperiode gesteckt?

Was bringt die Amtszeit Kurz?

In Erscheinung getreten ist der Staatsekretär bislang vor allem mit der Inseratenkampagne Integration durch Leistung sowie dem Schulbesuchsprojekt von vorbildhaften Migrant/innen Zusammen Österreich.

Die Integrationsbotschafter/innen, die derzeit an österreichischen Schulen touren, werden durch umfangreiche Inseratenschaltungen sehr gut wahrgenommen und verschaffen dem Kurz’schen Integrationsbegriff viel Raum. Der Staatssekretär hat damit auf der diskursiven Ebene einen veritablen Erfolg gelandet und die Integrationsdebatte neu geframed. Kurz will nicht mehr auf die Herkunft schauen, sondern auf die Leistung.

Für Kurz ist das ein doppelter Erfolg. Zum einen ist es durch die Verbindung der Begriffe Integration und Leistung gelungen, der FPÖ Wind aus den Segeln zu nehmen, zum anderen ist der Leistungsbegriff auch gleich noch das zentrale Thema der ÖVP für die kommende Nationalratswahl.

Diskursive Fortschritte Richtung Normalzustand

Doch nicht nur aus ÖVP-Sicht ist diese Diskursverschiebung ein Fortschritt. Martin Schenk von der Diakonie hält die Etablierung des Leistungsbegriffs für eine wesentliche Verbesserung. „Es ist gerechter, wenn Chancen und Möglichkeiten im Leben von der eigenen Initiative abhängen und nicht von der sozialen oder ethnischen Herkunft.“

Schenk erwartet sich allerdings, dass das Prinzip auch überall dort konkret umgesetzt wird, wo aufgrund der Herkunft diskriminiert wird: „Strukturelle Diskriminierung etwa im Bildungswesen, am Arbeitsmarkt oder bei der Mitbestimmung müssen dringend beseitigt werden. Die soziale Mobilität, ein Indikator für die Geltung des Leistungsprinzips ist in Österreich im Vergleich zu den OECD-Staaten besonders gering.“

Und tatsächlich will Kurz Leistung nicht nur fordern, sondern auch ermöglichen. Auf meine Anfrage antwortet der Staatsekretär per Email: „Mein Ziel ist es, Leistung von Migranten zu fordern, aber auch zu ermöglichen: im Kindergarten, in der Schule, im Berufsleben, in den Vereinen.“

Auch das ist ein Fortschritt gegenüber der bisherigen ÖVP-Linie, dass der Staatsekretär strukturelle Diskriminierung offensichtlich nicht mehr länger unter den Teppich kehren will. Man wird sehen ob Kurz den Atem hat, die Tabuisierung von Diskriminierung und Verteilungsdebatten in seiner Partei zu durchbrechen.

Martin Schenk legt aber auch Wert darauf, dass „wenn es um Gerechtigkeit geht, der Normalzustand einer modernen Demokratie sein sollte, dass neben der Rede über die Leistungsgerechtigkeit auch Bedarfs- und Teilhabegerechtigkeit thematisiert wird. Alle benötigen Schutz vor Armut, Pflegeleistungen und Zugang zu Kultureinrichtungen. Vor allem: in Demokratien dürfen alle mitbestimmen.“

Strukturelle Verbesserungen nicht vorgesehen

Das Diskussionsklima ist das eine, wer das Zusammenleben in Österreich nachhaltig verbessern will, muss Gesetze ändern und Geld in die Hand nehmen – um strukturelle Diskriminierung zu beenden und die ökonomische, aber auch die rechtliche und kulturelle Verteilungsschere zu schließen. Die Vererbung von schlechten Bildungschancen löst sich nicht durch Rhetorik auf; schlechte Arbeitsmarktchancen und ein hohes Armutsrisiko ebenso nicht.

Und hier tritt ein Konstruktionsfehler zu Tage: das Staatsekretariat für Integration wurde während einer laufenden Legislaturperiode eingerichtet und verfügt deshalb weder über einen eigenen Kompetenzbereich noch über ein eigenes Budget. Es sind auch keine konkreten legistischen Schritte im Koalitionsübereinkommen vorgesehen. Was immer also Kurz unternehmen möchte, er ist auf den Goodwill anderer Minister/innen angewiesen.

Auf die Anfrage, welche konkreten Vorhaben der Staatsekretär in der laufenden Legislaturperiode noch umsetzen wolle, antwortet Kurz deshalb wenig verwunderlich ausweichend: „Wo ich von mir aus die notwendigen Schritte setzen kann, werde ich das tun. Überall dort, wo andere Ressorts federführend sind, setze ich auf enge Kooperation mit anderen Regierungsmitgliedern.“

Brückenbauer Kurz

Der Integrationsexperte Kenan Güngör sieht die fehlenden Kompetenzen, will sie aber“nicht überbewerten“. Integration reiche in alle Politikfelder hinein, ein kooperativer Zugang sei zwangsläufig geboten. Und Güngör sieht in Kurz das Potenzial um zwischen den Ministerien, den Communities und den NGOs als Brückenbauer zu fungieren. Güngör: „Sebastian Kurz hat bisher einen kooperativen Stil und ist deshalb vom Prinzip her durchaus geeignet für diesen Job.“

Die Verschiebungen auf der diskursiven Ebene hätten auch schon strukturelle Wirkungen: „Es gibt konkrete Bestrebungen die Anerkennung von Qualifikationen zu verbessern. Seit Jahren wissen wir, dass die fehlende Anerkennung von Zeugnissen zu unterqualifizierter Beschäftigung führt. Da passiert jetzt endlich was.“

Insgesamt will sich aber auch Güngör nicht allzu optimistisch zeigen: „Für die notwendigen, umfangreichen strukturellen Änderungen muss sich die gesamte Bundesregierung bewegen. Ob Kurz das Gewicht hat, diesen Impuls auszulösen, bleibt offen.“

Mikl-Leitner macht harte Gesetze, Kurz weiche Bilder

Alexander Pollak von SOS Mitmensch äußert sich dezidiert skeptisch in Bezug auf die Rolle und bisherige Performance von Kurz. Um das Integrationsstaatssekretariat einzuordnen müsse man „das Zusammenwirken mit dem Innenministerium in den Blick nehmen“, so Pollak. „Mikl-Leitner und Kurz spielen Good-Cop-Bad-Cop. Mit ungleichen Machtverhältnissen. Mikl-Leitner macht harte Gesetze, Kurz erzeugt weiche Bilder. Das gehört zusammen.“

Es fehle Kurz bisher sowohl am Willen als auch an den Möglichkeiten, einen echten Paradigmenwechsel einzuleiten und strukturell für mehr Rechte und Chancen zu sorgen. Das lasse sich etwa daran ablesen, dass Kurz „immer noch mit einem bipolaren Integrationsbegriff arbeitet, der zwischen Migrant/innen und Einheimischen unterscheidet und den Migrant/innen die Defizite zuschreibt.“

Paradigmenwechsel steht aus

Strukturelle Änderungen sind laut Pollak erst zu erwarten, wenn Integration als „ein ständiger Prozess, der die gesamte Gesellschaft betrifft und sowohl das Verhältnis der Mitglieder zueinander, als auch das Verhältnis zwischen Institutionen und Bürger/innen bearbeitet.“

„Das ist die Leistung, die ich mir von einem Staatssekretär für Integration erwarte“, sagt Pollak, „die staatlichen Institutionen auf die Vielfalt der Bevölkerung auszurichten.“

Teil 1Hat bei den NGOs tatsächlich ein Stimmungswandel stattgefunden?
Teil 2
Nimmt sich Kurz ausreichend Zeit für Dialog mit seinen Mitstreiter_innen?

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