Die Zeit des Sebastian Kurz (2)

Der Integrationsstaatsekretär will sich ausreichend Zeit für den Austausch mit NGOs nehmen. Doch einige klagen schon über mangelnde Dialogbereitschaft. Teil 2 der dreiteiligen Serie.

Den Dialog mit den wichtigsten Institutionen im Bereich der Integration zu führen, zählt Staatssekretär Sebastian Kurz zu seinen Hauptaufgaben: „Diese Institutionen – seien es NGOs, Vereine, etc. – sind wichtige Player für eine gelungene Integration, und deshalb ist es mir wichtig, mir ausreichend Zeit für einen Austausch mit ihnen zu nehmen“, reagiert er auf meine Anfrage per EMail.

Trotzdem ventilieren einige NGOs das Bedauern, dass Kurz den Dialog verweigere und Gesprächsanfragen aus Zeitgründen ausschlage. Zwar hat Sebastian Kurz neben der Caritas etwa auch das Integrationshaus oder (edit, siehe Kommentare) die Zeitung biber besucht – doch bei der Auswahl der Gesprächspartner_innen scheint er recht wählerisch zu sein.

Die Zeit fehlt

Angela Magenheimer von Ehe ohne Grenzen hat mehrmals vergeblich versucht, Kurz zum Kamingespräch der Selbsthilfegruppe einzuladen. Eine Gesprächsrunde, der sich zuvor etwa schon SP-Klubobmann Josef Cap gestellt hatte. Leider findet der Staatssekretär keinen freien Abend.

Das Netzwerk Rechte Chancen Vielfalt in dem sich 30 der wesentlichen Einrichtungen aus den Bereichen Antidiskriminierung, Migration und Asyl aus Österreich zusammengeschlossen haben, bemühen sich seit längerem vergeblich um einen Termin.

Edit: Das Integrationshaus hat den Staatssekretär eingeladen, dieser ist der Einladung aber bislang nicht nachgekommen. Ein Besuch hat also nicht stattgefunden, wie hier ursprünglich fälschlich angegeben wurde. Nikolaus Heinelt vom Integrationshaus hat diese Information in den Kommentaren richtig gestellt.

Auch einschlägige Medien müssen auf Gespräche mit dem Staatssekretär verzichten. Für das vierteljährlich erscheinende mo – Magazin für Menschenrechte von SOS Mitmensch konnte kein freier Termin für ein Interview gefunden werden. Chefredakteur Gunnar Landsgesell bedauert: „Uns wurde dann ein Email-Interview angeboten. Da können wir gleich Presseaussendungen abdrucken“.

Es scheint nicht an den NGOs zu liegen. Höhrer_innen des Jugendradio FM4 können genauso wenig mit Kurz rechnen. FM4-Chefkoordinator Martin Blumenau per Twitter: „Sebastian Kurz ist wie Didi Constantini – beide scheuen das Risiko eines längeren FM4-Interviews“. Die Politikredaktion des Senders habe vergeblich um ein längeres Interview angefragt, präzisiert Blumenau auf Nachfrage.

Es ist nicht unüblich, allerlei Absagen mit „Zeitmangel“ zu begründen. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass Fm4 für Kurz, den exponierten Vertreter einer „Jugend-Gerechtigkeit“ nicht „wichtig“ genug ist. Ich persönlich vermute eher, dass Kurz ausführliche oder diskursive Formate scheut, die über das Platzieren von „Sound-Bites“ hinausgehen.

Auffallend auch, dass die nicht berücksichtigten NGOs dem Integrationsbegriff des Staatssekretärs wegen seiner Anfälligkeit für Kulturalisierung kritisch gegenüber stehen und einen eher republikanischen Ansatz vorziehen, der auf Gleichstellung der Bürger_innen abzielt (Weg mit Integration; Ausschluß Basta!; Netzwerk Rechte Chancen Vielfalt).

Auch wenn es menschlich nachvollziehbar ist, dass Kurz keine Debatten führen möchte, die sein Integrationskonzept grundsätzlich in Frage stellen: ernst gemeinte Dialogbereitschaft verschließt sich auch vor grundsätzlichen Argumenten nicht.

Aus welchen Gründen immer Kurz die Debatte meidet – sollte der Staatsekretär demnächst den Vorsitz der Wiener ÖVP übernehmen, wie im ersten Teil dieser Serie berichtet – dann dürfen die abgewiesenen NGOs wohl auch in Zukunft kaum auf eine Gesprächsmöglichkeit hoffen.

Ausserdem erschienen:

Teil 1Hat bei den NGOs tatsächlich ein Stimmungswandel stattgefunden?
Teil 3Welche Leistungen sind von Kurz in der laufenden Amtszeit zu erwarten?

2 Gedanken zu „Die Zeit des Sebastian Kurz (2)“

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