Bringt uns Rumsfeld!

In Deutschland geht die Justiz gerade gegen Kriegsverbrechen in Syrien vor. Dabei nimmt sie auch Staatsbürger anderer Länder ins Visier. Das wird durch die zunehmende Internationalisierung des Rechts möglich. Allerdings wird auch Kritik an diesem Völkerstrafrecht laut. Ein Kommentar für mo – Magazin für Menschenrechte von SOS Mitmensch.

060202-N-0696M-066 Secretary of Defense Donald H. Rumsfeld talks to reporters during the Newsmaker Lunch at the National Press Club in Washington, D.C., on Feb. 2, 2006. Rumsfeld spoke to members about the global war on terrorism and took questions from the audience about numerous defense related topics. DoD photo by Petty Officer 1st Class Chad J. McNeeley. (Released)
Der amerikanische Verteidigungsminister Donald Rumsfeld bei einer Pressekonferenz am 2. Februar 2006. Bild: Chad J. McNeeley - Amerikanische Streitkräfte, Gemeinfrei

In Deutschland geht die Justiz mit zunehmender Vehemenz gegen syrische Kriegsverbrechen vor. Im Mai eröffnete das Oberlandesgericht Frankfurt den Prozess gegen Aria L., einen 21-jährigen Deutschen, der in Syrien neben aufgespießten Köpfen posiert und später die Bilder über Facebook verbreitet haben soll. Im Windschatten dieses spektakulären Falles ermittelt das Bundeskriminalamt gegen 13 weitere mutmaßliche KriegsverbrecherInnen, darunter nicht nur deutsche Staatsangehörige.

Nicht nur deutsche Staatsbürger

Im April lies die deutsche Bundesanwaltschaft den 41- jährigen Syrer Ibrahim F. in Westfahlen verhaften. Er soll in Aleppo eine 150-köpfige Miliz befehligt haben und persönlich für Folter sowie Plünderungen verantwortlich sein. Anfänglich sei die Miliz noch Teil der Freien Syrischen Armee (FSA) gewesen, die gegen das Assad-Regime kämpft und Unterstützung des Westens geniesst.

Zunehmend habe sie aber eigene Interessen verfolgt, so die Ankläger. Bei einem Rückzug der Regierungstruppen hätten die MilizionärInnen Häuser und Wohnungen geplündert und so erbeutete Kunstwerke zum Verkauf angeboten. BewohnerInnen, die sich wehrten seien verschleppt, vom Beschuldigten persönlich gefoltert und nur gegen Lösegeld wieder freigelassen worden.

Das Völkerstrafrecht

Dass ein syrischer Staatsbürger für Folterungen, die er in Syrien begangen haben soll, überhaupt in Deutschland belangt werden kann, das ist dem so genannten Völkerstrafrecht geschuldet. Im Jahr 2002 wurde mit dem römischen Statut der Internationale Strafgerichtshof errichtet, um Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu ahnden.

Bei diesen Delikten wird aufgrund ihrer Schwere das Weltrechtsprinzip angenommen – um Straflosigkeit vorzubeugen, wird die gesamten Staatengemeinschaft in Verantwortung genommen. Oft sind ja bei solchen Taten Angehörige des Staatsapparates selbst involviert. Mit der Ratifizierung haben sich die derzeit 123 Vertragsstaaten auch verpflichtet, entsprechende Delikte im nationalen Strafrecht zu definieren. Wenn ein Verbrechen gegen das Völkerrecht nicht durch zuständige Staaten oder den Internationalen Strafgerichtshof verfolgt wird, erwächst Signatarstaaten eine gewisse Verpflichtung ((„Nach dieser Vorschrift [153f Strafprozessordnung Deutschland] kann die Staatsanwaltschaft bei Straftaten, die nach dem Völkerstrafgesetzbuch strafbar sind und im Ausland begangen wurden von einer Strafverfolgung absehen, wenn der Täter sich nicht in Deutschland aufhält oder ein solcher Aufenthalt nicht zu erwarten ist. Allerdings setzt Paragraf 153f Absatz 2 dieser Vorschrift dem Ermessensspielraum der Staatsanwaltschaft enge Grenzen. Richtet sich die Tat zum Beispiel gegen einen Deutschen oder wird sie nicht von einem internationalen Gerichtshof oder einem Staat verfolgt, der dafür zuständig ist soll regelmässig keine Einstellung erfolgen. Ob dadurch eine Verfolgungspflicht begründet wird ist unter Juristen umstritten.“  Neskovic, Wolfgang (Hg): CIA Folter Report, Seite 19)). Österreich hat den Vertrag 2014 umgesetzt.

Zweierlei Maß?

Die Fortschritte am Gebiet des Völkerstrafrechts sind nicht von der Hand zu weisen. Allerdings wird in Deutschland auch eine zunehmend kritische Diskussion laut. Das Völkerstrafrecht richte sich in der Praxis überwiegend gegen ärmere Staaten. Der Internationale Strafgerichtshof messe mit zweierlei Maß, hauptsächlich afrikanische TäterInnen würden verfolgt.

Auch die Anzeigen gegen den ehemaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und einige mutmaßliche CIA-Folterer wurden von der deutschen Bundesanwaltschaft zurück gelegt, obwohl ein offizieller Bericht des US-Senats die Folter einräumt. Wird bald ein Staat die Konfrontation mit den USA wagen und Rumsfeld & Co anklagen?

mo – Magazin für Menschenrechte erscheint diesen Samstag.

Edit: In einer früheren Version dieses Beitrages war allgemein die Rede von „einer Verpflichtung die allen Signatarstaaten erwächst“. Die Formulierung wurde eingeschränkt und um eine erläuternde Fußnote ergänzt. Danke für den Hinweis, Ralph Janik.

2 Gedanken zu „Bringt uns Rumsfeld!“

  1. „Mit der Ratifizierung haben sich die derzeit 123 Vertragsstaaten auch verpflichtet, entsprechende Delikte im nationalen Strafrecht zu definieren. Wenn ein Verbrechen gegen das Völkerrecht nicht durch zuständige Staaten oder den Internationalen Strafgerichtshof verfolgt wird, erwächst allen Signatarstaaten eine Verpflichtung.“
    Verpflichtung, was zu tun?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert