Brand in Schubhaft

Der Brand im PAZ Hernalser Gürtel heute Nachmittag ruft die noch immer inakzeptablen Schubhaft-Bedingungen in Erinnerung. Auch die Stadt Wien als Aufsichtsbehörde sollte handeln – und das PAZ Hernals schließen, falls der Brandschutz auch nach dem letzten Brand weiter vernachlässigt wurde.

Brand in Schubhaft 2007
Die ausgebrannte Zelle im PAZ Hernalser Gürtel.

Heute Nachmittag gab es einen Brand im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel. Die Brandursache ist laut einem Sprecher der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien noch unklar. Es gibt mehrere leicht verletzte Insassen, die Rauchgasvergiftungen davon getragen haben, sowie einen Polizisten, der sich bei den Rettungsarbeiten schwer verletzt hat. Genaueres sollen Untersuchungen der nächsten Tage ergeben.

Schon jetzt kann gesagt werden, dass die Bundesregierung in ihren Schubhaftzentren das Leben von Menschen aufs Spiel setzt.

Bereits Ende 2007 kam der algerische Asylsuchende Fethi N. beinahe bei einem Brand ums Leben. In der Nacht vom 29. auf 30. Dezember brach in seiner Einzelzelle im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel ein Feuer aus. N. schlief rauchend im Bett ein und fiel von den Rauchgasen in Ohnmacht. Die Einrichtungsgegenstände der Einzelzelle sind nicht aus brandhemmendem Material, Brandmelder sind nicht vorhanden. Hilfe kann nur über die Gegensprechanlage bei der Tür gerufen werden. Wenn der Häftling es bis dorthin schafft. Erst als Gefangene der Nachbarzelle Alarm schlugen, rückten Beamten aus, um das Feuer in N.’s Zelle zu löschen.

Im Zuge dieses Vorfalls hat SOS Mitmensch darauf gedrängt, Konsequenzen zu ziehen: Die Republik ist voll und ganz für die körperliche Unversehrtheit von Schutzbefohlenen verantwortlich (Art. 2 und 3 EMRK). Hafträume müssen laut Anhalteordnung so beschaffen sein, dass „eine gesundheitliche Gefährdung vermieden werden“ kann (AnhO §4), Häftlinge sind unter Achtung der Menschenwürde und größtmöglicher Schonung ihrer Person anzuhalten.

Anhaltung „gänzlich inakzeptabel“

Das European Committee for the Prevention of Torture (CPT) des Europarates rügt Österreich regelmäßig für die „materiellen Bedingungen“, unter denen Fremde zur Abschiebung aus Österreich angehalten werden. 2005 hat er die Lage in Österreich und vor allem die Verhältnisse im PAZ Hernals wörtlich als „gänzlich inakzeptabel“ bezeichnet. Die Kontrolleure fordern einen offenen Vollzug, also die Anhaltung der Häftlinge in in offenen Abteilungen. Hätte Österreich diese Empfehlung umgesetzt, hätte der schwere Unfall von Fethi N. verhindert werden können.

Brand in Schubhaft 2007
Brand in Schubhaft 2007

Berichte und Empfehlungen des Europarats sind für Österreich nicht verbindlich und werden daher nicht gerade überschwänglich umgesetzt. Allerdings wäre die BPD Wien nach dem Wiener Feuerpolizei-, Luftreinhalte- und Klimaanlagengesetz (WFLKG) dazu verpflichtet, „besondere Vorkehrungen zur Hintanhaltung oder Vorbeugung“ einer Brandgefahr zu treffen, da ein PAZ zu der Sorte Gebäude zählt, in der im „Brandfall eine größere Anzahl von Personen gefährdet“ werden könnte (WFLKG §10 Z2).

Kein ausreichender Brandschutz

Das streitet auch die BPD Wien nicht ab. Der fürs PAZ Heranals verantwortliche Kommandant, Josef Zinnsberger, hat das Fehlen von Brandmeldern mit dem Hinweis gerechtfertigt, man wolle und könne den Gefangenen das Rauchen nicht verbieten. Was Zinnsberger nicht sagt: Stand der Technik in Räumen mit Rauchentwicklung sind Wärmemelder. Das attestiert jedenfalls der Österreichische Berufsfeuerwehrverband. In seinen Technischen Richtlinien vorbeugender Brandschutz: Brandmeldeanlagen (TRVB 123) heißt es zum Thema Rauch, Staub und andere Aerosole:

„Betriebsbedingtes Auftreten von Rauch, Staub oder anderen Aerosolen kann bei Anwendung von Rauchmeldern Täuschungsalarme und bei Anwendung von Flammenmeldern eine wesentliche Abmilderung der Empfindlichkeit verursachen. In solchen Fällen sind Wärmemelder einzusetzen.“

Land Wien ist als Aufsichtsbehörde mitverantwortlich

Kommt die BPD Wien ihren Verpflichtungen nicht nach, kommen die Stadt Wien und die Rot-Grüne Koalition ins Spiel. Diese ist nämlich Aufsichtsbehörde und (die Baupolizei) müsste der BPD Wien geeignete Vorschriften zur Brandvorbeugung machen (WFLKG §10 Z2). Sollte das Innenministerium diesen Auflagen nicht nachkommen, kann die Stadt Wien das Gebäude bei Gefahr im Verzug räumen lassen. Etwa dann, wenn mit weiteren gravierenden Vorfällen zu rechnen ist. Und ich denke das ist der Fall, wenn man gegenüberstellt, welchen Gefahren Schubhäftlinge ausgesetzt sind und wie schleppend Verbesserungen umgesetzt werden.

Auf Anfrage kurz vor 19.30 Uhr kann das BPD Wien nicht bestätigen, dass in den Zellen in der Zwischenzeit Wärmemelder installiert wurden. Die bisherigen Äußerungen der Verantwortlichen lassen allerdings auch nicht darauf hoffen. Beim offenen Vollzug wurde bislang mit Hinweis auf das Schubhaftzentrum Vordernberg abgewunken, das im Frühjahr 2012 Baubeginn haben soll.

Doch nicht nur der Ausbruch von Feuer stellt eine lebensgefährliche Gefahr für Gefangene dar. 2005 verstarb der Gambier Yankuba C. im Hungerstreik, nachdem er rechtswidrig in Schubhaft genommen wurde. Im selben Jahr wurde der polnische Schubhäftling Andrzej G. von einem psychisch kranken Mithäftling durch Stiche getötet. Die herbeieilenden Beamt/innen konnten wegen fehlender Schutzkleidung nicht eingreifen. Schuld am Tod des Schubhäftlings seien „die politisch Verantwortlichen“, bemerkte Richterin Sonja Weis in derUrteilsbegründung:

„Die betroffenen Beamten haben das Menschenmögliche getan. Sie trifft kein Vorwurf. Dass man aber davon ausgeht, dass das System reibungslos und einwandfrei funktioniert, ohne die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen, gibt zu denken. Das ist ein Systemfehler, für den nicht die Systemerhalter verantwortlich sind, sondern die politisch Verantwortlichen.“

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