Biber stellt keine besonderen Ansprüche

Eine Bloggerin übt unaufgeregte Kritik an identitärem Geschlechterschmafu in der Stadtzeitung biber. Das ist ein gutes Zeichen.

Der denkwerkstatt-Blog hat heute eine feministische Medienkritik an der Wiener Stadtzeitung biber veröffentlicht. In ein paar Absätzen zeichnet die Autorin allzu platte Geschlechterklischees und homophobe Untertöne in biber nach.

Biber ist wegen mangelnder Distanz zu Vorurteilen schon öfter in Kritik geraten. 2008 hat der Artikel „Wenn Ausländer Ausländer hassen“ für viel Zustimmung, aber auch für Kopfschütteln gesorgt. Die aufregende These der vierseitigen Geschichte: nicht nur Österreicher/innen haben Vorurteile. Fotos von stark stilisierten Ausländer-Typen garnierten einen Text, der lediglich verschiedenste Vorurteile aufreihte. Mehr als die ironisierende Klischee-Rundschau wollte der Beitrag nicht.

Durchatmen für Linksliberale

Gefallen an dieser Aufbereitung fanden gar nicht einmal sosehr Rechte, solche Vereinnahmungsversuche des Textes blieben meines Wissens aus. Zustimmung wurde zum einen von Migrant/innen geäußert, die sich mit der Darstellung (zumindest der jeweils anderen Gruppe) identifizieren konnten.

Doch auch Linksliberale, ermattet von der Kritik an Diskriminierung konnten endlich durchatmen. Denn diesbezüglich hatte der Text für viele eine tatsächlich stark befreiende Wirkung. Das bleierne Setting Mainstream – Böse, Migrant/innen – Opfer, Gutmenschen – Moralkeule, war durchbrochen.

Kein Sozialprojekt

Der Jugendarbeiter Bulent Öztoplu und Kurier-Redakteur Simon Kravagna waren 2005/06 mit biber an den Start gegangen, um ein Magazin von der 2. Generation für die 2. Generation zu produzieren. „Das wird kein Sozialprojekt sein“, hatte Öztoplu das Vorhaben damals charakterisiert.

Als Sozialarbeiter hatte Öztoplu eine ganze Generation Wiener Zuwanderer-Kids geprägt und am Ende doch die Lust an diesem Zugang verloren. Biber sollte marktfähig werden. Als Beweis, dass Migrant/innen mitspielen können und nicht auf Hilfe durch die Allgemeinheit angewiesen sind. Biber wollte Normalität.

Postmigrantische Gesellschaft?

Das ist gelungen. Das Magazin der 2. Generation ist heute ein normales Magazin, wie viele andere auch, nicht schlechter und nicht besser als die Mehrheit: etwas lauwarm, sporadisch richtig gut, tendenziell zu unkritisch und immer wieder komplett daneben. Biber stellt keine besonderen Ansprüche, will nirgendwo hin, will einfach nur da sein und ein bisschen unterhalten. Drum finde ich biber nicht gut. Aber ich finde gut, dass es biber gibt.

Nach fünf Jahren gibt der Erfolg dem Unterfangen recht: Migrant/innen sind nicht immer Opfer und nicht immer die Guten. Die unaufgeregte denkwerkstatt-Kritik kommt ohne Verweis auf den Migrationshintergrund der Redakteur/innen aus. Der Beitrag kritisiert, was zu kritisieren ist. Offensichtlich sind wir einer (etwas spröde als ‚postmigrantisch‘ bezeichneten) Gesellschaft tatsächlich ein Stück näher gekommen, in der der Migrationsfaktor nicht zur alles dominierenden Frage und Erklärung aufgebauscht werden muss.

Ein Gedanke zu „Biber stellt keine besonderen Ansprüche“

  1. Lieber Phillip!
    Du hast sehr interrassente kommentar geschrieben. Ich muss aber eines richtig stellen. Ich habe Biber, mit simon erste 2 ausgabe herausgegeben und wegen unterschiedliche vorstellung des zukunft des magazins haben unsere wege getrennt. Ich finde biber eine gut gemeinte projekt aber nicht mehr das, was ich selbst für eine stadtzeitung der junge Migrantinnen vorgestellt habe. Als ein migrant habe ich nie vor gehabt die realitet der 2-3 generation einfach mit subjektiven schön malarei wegwischen wollen. Es sollte eine zeitschrift sein mit seine kanten und kritiken. und das sollte auch eine normalitet sein.
    „Wir haben keine probleme“ botschaften entsprechen nicht die alltag der 2-3 generation…
    Ich habe schon lange nicht mit Biber zutun…
    Lieber grüsse

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